Ortsteil Reichelsheim / Ortsbefestigung / Turm an der Rossgasse: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Historisches Reichelsheim
 
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Der Turm an der Rossgasse trotzte in der südöstlichen Ecke der Stadtmauer. Er befindet sich heute auf dem Grundstück der Familie Marloff. Im verlaufe der Jahre wurde der Turm mitsamt der Mauer immer mehr in die Bebauung des Grundstücks integriert. Noch bis in das Jahr 1879 waren der Turm mitsamt den bis an den Turm heranreichenden Befestigunsmauern von allen Seiten zugänglich.<br>
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Das mächtigste noch erhaltene Bauwerk der ehemaligen Ortsbefestigung ist der Turm an der Rossgasse in der südöstlichen Ecke der Stadtmauer. Er befindet sich heute auf dem Grundstück der Familie Marloff. Im verlaufe der Jahre wurden die außerhalb der Mauer gelegenen Grabgärten immer mehr in die Bebauung der Grundstücke integriert, somit entzogen sich Turm und Mauer Stück für Stück den Augen der Betrachter. Noch bis in das Jahr 1879 waren der Turm mitsamt den bis an den Turm heranreichenden Befestigunsmauern von allen Seiten zugänglich.<br>
Wie auch der [[Ortsteil Reichelsheim / Ortsbefestigung / Friedhofsturm|Friedhofsturm]] war dieser Turm zum Schutze für den Verteidigungsfall mit einem hoch gelegenen Eingang versehen. Dieser Hocheingang war üblicherweise nur über eine Leiter zu erreichen, die im Bedarfsfall schnell hochgezogen werden konnte. Charakteristisch war bei solchen Türmen der Zugang in das unterste Stockwerk. Dieser war nur über ein Einsteigloch - eine kleine Öffnung im Scheitel der Gewölbedecke möglich.
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Wie auch der [[Ortsteil Reichelsheim / Ortsbefestigung / Friedhofsturm|Friedhofsturm]] war dieser Turm zum Schutze für den Verteidigungsfall mit einem hoch gelegenen Eingang versehen. Dieser Hocheingang war üblicherweise nur über einen Wehrgang oder eine Leiter zu erreichen, die im Bedarfsfall schnell hochgezogen werden konnte. Charakteristisch war bei solchen Türmen der Zugang in das unterste Stockwerk. Dieser war nur über ein Einsteigloch - eine kleine Öffnung im Scheitel der Gewölbedecke möglich, durch das man über eine (Strick-)Leiter oder Seilwinde hinunter gelangen konnte (siehe Bilder "Schema eines Berchfrits" und Angstloch). Die vermutete Verwendung dieses Raumes reicht von ungenutzt über Lagerraum bis hin zum Verlies.<br>
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Einzig an diesem Turm ist am oberen Mauerkranz noch eine sogenannte Wurfnase erhalten. In aller Regel waren diese Wurfnasen zur senkrechten Verteidigung des "toten Winkels" gedacht - also an Stellen, wo man über die Schießscharten keine Waffenwirkung mehr hat. Über diese Wurfnasen - je nach Ausführung auch Maschikuli genannt - hatte der Verteidiger die Möglichkeit z.B. Steine herabzuwerfen oder (meist heiße) Flüssigkeiten (Wasser, Öl, Pech) über den Angreifer zu ergießen. Interessant ist, daß diese Wurfnase nicht an der Außenseite der Mauer, sondern innen oberhalb des Zugangs zum Turm angebracht ist. Falls dem Angreifer das Eindringen in die befestigte Stadt gelungen sein sollte, wollte man hier wohl verhindern, daß es jemand unbeschadet bis zur Tür schafft.  
  
  
'''Zur Veranschaulichung sind hier einige noch vorhandene Situationspläne aufgeführt:'''
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'''Zur Veranschaulichung des Bebauungsfortschrittes sind hier einige noch vorhandene Situationspläne aufgeführt:'''
  
 
*[[Media:Turm an der Rosgasse Anno 1870.jpg|Situationsplan zum Baugesuch des Georg Maley  von 1870 (Turm im Südosten und Teile der Mauer stehen noch frei)]]
 
*[[Media:Turm an der Rosgasse Anno 1870.jpg|Situationsplan zum Baugesuch des Georg Maley  von 1870 (Turm im Südosten und Teile der Mauer stehen noch frei)]]
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*[[Media:Turm an der Rosgasse Anno 1907.jpg|Situationsplan zum Baugesuch des Friedrich Gros von 1907 (Turm ist umbaut - Mauern sind verschwunden)]]
 
*[[Media:Turm an der Rosgasse Anno 1907.jpg|Situationsplan zum Baugesuch des Friedrich Gros von 1907 (Turm ist umbaut - Mauern sind verschwunden)]]
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Es war das letzte Stück der Ortsbefestigung entlang der Neugasse, welches bis dahin noch nicht niedergerissen oder verbaut worden war. Die Stadtmauer entlang der Rossgasse diente für die meisten Scheunen dort als Fundament und ist zumindest in Teilen noch erhalten.
 
Es war das letzte Stück der Ortsbefestigung entlang der Neugasse, welches bis dahin noch nicht niedergerissen oder verbaut worden war. Die Stadtmauer entlang der Rossgasse diente für die meisten Scheunen dort als Fundament und ist zumindest in Teilen noch erhalten.
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  Schema eines Berchfrits.JPG|"Schema eines Berchfrits" aus der Burgenkunde [https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Piper_(Burgenforscher) Otto Pipers ]
 
  Schema eines Berchfrits.JPG|"Schema eines Berchfrits" aus der Burgenkunde [https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Piper_(Burgenforscher) Otto Pipers ]
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RossgasseTurm1929.jpg|Turm an der Rossgasse von Osten her gesehen, Foto von 1929
 
  Turm an der Rossgasse.jpg|Turm an der Rossgasse von Westen her gesehen, Foto ca 1930
 
  Turm an der Rossgasse.jpg|Turm an der Rossgasse von Westen her gesehen, Foto ca 1930
  RossgasseTurm1929.jpg|Turm an der Rossgasse von Osten her gesehen, Foto von 1929
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  Rhm Turm Rossgasse 1997.jpg|Turm an der Rossgasse im Jahre 1997
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Rhm Turm Rossgasse Angstloch.jpg|Die Einstiegöffnung im Scheitel der Gewölbedecke von unten gesehen - <br>auch Angstloch genannt
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Rhm Turm Rossgasse Scharte.jpg|Das dürftige Blickfeld aus einer der Schießscharten. In diesem Fall eine sogenannte Schlüssel-scharte für Büchsen.
 
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[[Kategorie:Ortsteil Reichelsheim|Turm]]

Aktuelle Version vom 8. Juli 2022, 17:41 Uhr

Das mächtigste noch erhaltene Bauwerk der ehemaligen Ortsbefestigung ist der Turm an der Rossgasse in der südöstlichen Ecke der Stadtmauer. Er befindet sich heute auf dem Grundstück der Familie Marloff. Im verlaufe der Jahre wurden die außerhalb der Mauer gelegenen Grabgärten immer mehr in die Bebauung der Grundstücke integriert, somit entzogen sich Turm und Mauer Stück für Stück den Augen der Betrachter. Noch bis in das Jahr 1879 waren der Turm mitsamt den bis an den Turm heranreichenden Befestigunsmauern von allen Seiten zugänglich.
Wie auch der Friedhofsturm war dieser Turm zum Schutze für den Verteidigungsfall mit einem hoch gelegenen Eingang versehen. Dieser Hocheingang war üblicherweise nur über einen Wehrgang oder eine Leiter zu erreichen, die im Bedarfsfall schnell hochgezogen werden konnte. Charakteristisch war bei solchen Türmen der Zugang in das unterste Stockwerk. Dieser war nur über ein Einsteigloch - eine kleine Öffnung im Scheitel der Gewölbedecke möglich, durch das man über eine (Strick-)Leiter oder Seilwinde hinunter gelangen konnte (siehe Bilder "Schema eines Berchfrits" und Angstloch). Die vermutete Verwendung dieses Raumes reicht von ungenutzt über Lagerraum bis hin zum Verlies.
Einzig an diesem Turm ist am oberen Mauerkranz noch eine sogenannte Wurfnase erhalten. In aller Regel waren diese Wurfnasen zur senkrechten Verteidigung des "toten Winkels" gedacht - also an Stellen, wo man über die Schießscharten keine Waffenwirkung mehr hat. Über diese Wurfnasen - je nach Ausführung auch Maschikuli genannt - hatte der Verteidiger die Möglichkeit z.B. Steine herabzuwerfen oder (meist heiße) Flüssigkeiten (Wasser, Öl, Pech) über den Angreifer zu ergießen. Interessant ist, daß diese Wurfnase nicht an der Außenseite der Mauer, sondern innen oberhalb des Zugangs zum Turm angebracht ist. Falls dem Angreifer das Eindringen in die befestigte Stadt gelungen sein sollte, wollte man hier wohl verhindern, daß es jemand unbeschadet bis zur Tür schafft.


Zur Veranschaulichung des Bebauungsfortschrittes sind hier einige noch vorhandene Situationspläne aufgeführt:


Es war das letzte Stück der Ortsbefestigung entlang der Neugasse, welches bis dahin noch nicht niedergerissen oder verbaut worden war. Die Stadtmauer entlang der Rossgasse diente für die meisten Scheunen dort als Fundament und ist zumindest in Teilen noch erhalten.


Wo ist der Turm zu finden ... Link zu Google maps


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