Ortsteil Reichelsheim / Vereine: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Historisches Reichelsheim
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'''Woher stammt eigentlich der Begriff "Verein"?'''
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=== [http://www.stadt-reichelsheim.de/index_main.php?unid=1518&websiteid=reichelsheim Die Liste der aktuell aktiven Vereine in Reichelsheim finden sie '''"hier"''' auf der Webseite der Stadt] ===
In früherer Zeit gab es den Begriff Verein - so wie wir in heute kennen nicht. Man kannte Clubs, Gesellschaften, Verbindungen oder Bünde. Die Kirche war seinerzeit derart ein Monopol und auch die Familienbande waren so eng, daß kein Mensch den Gedanken an einen Verein - im heutigen Sinn - hatte. In 1794 gestand das "Allgemeine Preußische Landrecht" den Untertanen die sogenannte Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit zu. Gleichzeitig war jedoch jegliche politische Aktivität in diesem Zusammenhang verboten worden. Das war die Zeit, in der in Deutschland Gleichgesinnte anstrebten sich zu gemeinsamen Zwecken zu vereinigen und das Recht der freien Versammlung auszuleben. Das 19. Jahrhundert war auch im Herzogtum Nassau eine Epoche der Vereinsgründung. Viele der landesweiten unpolitischen Vereine wurden durch die Regierung begünstigt - so auch in Reichelsheim.
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Der älteste Reichelsheimer Verein ist der [[Gesangverein "Liederkranz"]]. Am 21. Februar 1844 gründete Pfarrer Frankenfeld diesen Verein. Wollen wir dabei nicht vergessen, daß Musik heute etwas alltägliches und selbstverständliches ist. Musik hatte seinerzeit nur der, welcher singen konnte oder wer in der Lage war ein Instrument zu bedienen - wenn er es sich denn leisten konnte.
 
Gesungen hatte man zu jeder Gelegenheit - in der Schule, in der Kirche, in der Familie. So ist es nicht verwunderlich, daß das Bedürfnis gemeinsam zu Singen zum ersten Verein in Reichelsheim geführt hat. In der Vereinschronik steht geschrieben: "Durch Vermittlung des Geistlichen wurde dem Verein von der herzoglich-nassauischen Landesregierung auf 3 Jahre aus Gemeindemitteln Licht und Lokal verschafft."
 
  
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'''Woher stammt eigentlich der Begriff "Verein"?'''<br />
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In früherer Zeit gab es den Begriff Verein - so wie wir in heute kennen nicht. Man kannte Clubs, Gesellschaften, Verbindungen oder Bünde. Die Kirche war seinerzeit derart ein Monopol und auch die Familienbande waren so eng, daß kein Mensch den Gedanken an einen Verein - im heutigen Sinne - hatte. In 1794 gestand das "Allgemeine Preußische Landrecht" den Untertanen die sogenannte Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit zu. Gleichzeitig war jedoch jegliche politische Aktivität in diesem Zusammenhang verboten worden. Das war die Zeit, in der in Deutschland Gleichgesinnte anstrebten sich zu gemeinsamen Zwecken zu vereinigen und das Recht der freien Versammlung auszuleben.
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Während der Kriege gegen Napoleon wurde in den französisch besetzten Zonen der Code civil - offiziell auch Code Napoléon - eingeführt. Napoleon strebte an, ein vernunftgegründetes allgemeines Recht zur Verfügung stellen und damit eine Rechtsvereinheitlichung zu schaffen. Einer dieser Errungenschaften war die strikte Trennung von Staat und Kirche.
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1815 - Napoleon war besiegt - versuchte man durch den Wiener Kongress die Uhr wieder zurückzudrehen, und man setzte das alte absolutistische System wieder ein.
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Im Deutsche Bund herrschten liberale und nationale Ideen vor, die an verschiedenen deutschen Höfen eine gewisse Revolutionsangst hervorrief. Vereinzelt wurden Vereine wieder verboten und das Versammlungsrecht beschränkt. Mit den sogenannten Karlsbader Beschlüssen bewirkte man 1819 das Verbot der öffentlichen schriftlichen Meinungsfreiheit und der Burschenschaften, die Überwachung der Universitäten, die Zensur der Presse und sogar die Schließung der Turnplätze (Turnsperre von 1820 bis 1842). Erst mit der deutschen Revolution 1848/49 wurden die Karlsbader Beschlüsse wieder abgeschafft.
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Das 19. Jahrhundert war im ungeeinten Deutschland eine bewegte Epoche. Trotz aller Unsicherheiten wurden dennoch viele der landesweiten unpolitischen Vereine durch die Regierung begünstigt - so regte sich in dieser Zeit auch im nassauischen Reichelsheim der Wunsch, einen Verein zu gründen.
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Der älteste Reichelsheimer Verein ist der Gesangverein "Liederkranz". <br>
 
Vieles ist nicht bekannt über die Reichelsheimer Vereine, die die Zeit nicht überdauerten. Lehrer Heinrich Keller widmete den Vereinen ein kleines Kapitel in seinem Heimatbuch über Reichelsheim und führte dort 11 Vereine auf.  
 
Vieles ist nicht bekannt über die Reichelsheimer Vereine, die die Zeit nicht überdauerten. Lehrer Heinrich Keller widmete den Vereinen ein kleines Kapitel in seinem Heimatbuch über Reichelsheim und führte dort 11 Vereine auf.  
  
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Von den Reichelsheimer Vereinen: (S.122-129)
 
Von den Reichelsheimer Vereinen: (S.122-129)
  
*1. Der Gesangverein "Liederkranz"
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*1. Der [[Ortsteil Reichelsheim / Vereine / Gesangverein "Liederkranz"|Gesangverein "Liederkranz"]] (1844)
*2. Der Frauen- und Mädchenchor
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*2. Der [[Ortsteil Reichelsheim / Vereine / Frauen- und Mädchenchor|Frauen- und Mädchenchor]]
 
*3. Der [[Ortsteil Reichelsheim / Vereine / Musikverein|Musikverein]] (1897)
 
*3. Der [[Ortsteil Reichelsheim / Vereine / Musikverein|Musikverein]] (1897)
 
*4. Der Leseverein
 
*4. Der Leseverein
*5. Der Turnverein "Germania"
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*5. Der [[Ortsteil Reichelsheim / Vereine / Turnverein | Turnverein]] "Germania" (1902)
*6. Der Fußballsportverein (1920)
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*6. Der [[Fußballsportverein]] (1920)
*7. Der Kriegerverein "Hassia" (1874)
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*7. Der [[Kriegerverein "Hassia"]] (1874)
*8. Der Vorschuß- und Kreditverein eGmbH (1865)
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*8. Der [[Ortsteil Reichelsheim / Vereine / Vorschuß- und Kreditverein|Vorschuß- und Kreditverein]] eGmbH (1865)
*9. Der Kunsumverein
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*9. [[Ortsteil Reichelsheim / LBAG | Der Kunsumverein (1899)]]
*10. Die Molkereigenossenschaft
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*10. [[Ortsteil Reichelsheim / Molkerei | Die Molkereigenossenschaft]]
 
*11. Der [[Ortsteil Reichelsheim / Vereine / Vogelsberger Höhen-Club|Vogelsberger Höhen-Club]] VHC (1881)
 
*11. Der [[Ortsteil Reichelsheim / Vereine / Vogelsberger Höhen-Club|Vogelsberger Höhen-Club]] VHC (1881)
  
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Es gab aber doch auch noch weitere Vereine - große Vereine sogar - einige davon existieren heute noch!
 
Es gab aber doch auch noch weitere Vereine - große Vereine sogar - einige davon existieren heute noch!
  
 
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*die Viehversicherungsgesellschaft (1820)
*Die [[Ortsteil Reichelsheim / Vereine / Freiwillige Feuerwehr Reichelsheim|Freiwillige Feuerwehr Reichelsheim]] (1892)
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*den Rindviehversicherungsverein (1860)
*den Rindvieversicherungsverein (1860)
 
 
*den Pferdeversicherungsverein
 
*den Pferdeversicherungsverein
*den Geflügelzuchtverein (1909)
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*die [[Ortsteil Reichelsheim / Vereine / Freiwillige Feuerwehr Reichelsheim|Freiwillige Feuerwehr Reichelsheim]] (1892)
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*den [[Ortsteil Reichelsheim / Vereine / Kleintierzuchtverein 1909 e.V.|Geflügelzuchtverein (1909)]]
 
*den Verein ehemaliger Frontkämpfer (1922)
 
*den Verein ehemaliger Frontkämpfer (1922)
*den Frontkämpferbund "Stahlhem" (1925)  
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*den Frontkämpferbund "Stahlhelm" (1925)  
 
*den [[Ortsteil Reichelsheim / Vereine / Reit- und Fahrverein|Reit- und Fahrverein]] (1927)
 
*den [[Ortsteil Reichelsheim / Vereine / Reit- und Fahrverein|Reit- und Fahrverein]] (1927)
 
*und auch den Hausfrauenverein
 
*und auch den Hausfrauenverein
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hatte Lehrer Keller nicht erwähnt ... warum?  Wahrscheinlich gab es bis zu diesem Zeitpunkt noch weitere Vereine, von deren Existenz wir heute nicht mehr wissen.
 
hatte Lehrer Keller nicht erwähnt ... warum?  Wahrscheinlich gab es bis zu diesem Zeitpunkt noch weitere Vereine, von deren Existenz wir heute nicht mehr wissen.
  
Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 wurden Vereine und viele Einrichtungen gleichgeschaltet. Davon waren auf jeden Fall die Feuerwehren betroffen. Das preußische "Gesetz über das Feuerlöschwesen" vom 15. Dezember 1933 unterstellte die Berufsfeuerwehren, freiwilligen Feuerwehren und Pflichtfeuerwehren der Ortspolizeiverwaltung und den Polizeiaufsichtsbehörden. Somit war die Feuerwehr kein Verein sondern ein Organ der Staatsgewalt.
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Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 wurden Vereine und viele Einrichtungen über die Partei gleichgeschaltet. Davon waren auf jeden Fall die Feuerwehren betroffen. Das preußische "Gesetz über das Feuerlöschwesen" vom 15.&#8239;Dezember&#8239;1933 unterstellte die Berufsfeuerwehren, freiwilligen Feuerwehren und Pflichtfeuerwehren der Ortspolizeiverwaltung und den Polizeiaufsichtsbehörden. Somit war die Feuerwehr kein Verein mehr, sondern ein Organ der Staatsgewalt.
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Direkt nach dem Krieg war jegliche Vereinstätigkeit vorerst verboten und erst nach und nach wurden die Vereine wieder zugelassen.
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Manch einer der Vereine ist nicht wieder aktiv geworden.
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== [http://www.stadt-reichelsheim.de/index_main.php?unid=1518&websiteid=reichelsheim Die Liste der aktuell aktiven Vereine in Reichelsheim finden sie auf der Webseite der Stadt] ==
 
  
[[Kategorie:Ortsteil Reichelsheim]]
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[[Kategorie:Ortsteil Reichelsheim|Vereine]]
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[[Kategorie:Vereine aller Ortsteile|Vereine]]

Version vom 13. April 2020, 20:32 Uhr

Die Liste der aktuell aktiven Vereine in Reichelsheim finden sie "hier" auf der Webseite der Stadt


Woher stammt eigentlich der Begriff "Verein"?
In früherer Zeit gab es den Begriff Verein - so wie wir in heute kennen nicht. Man kannte Clubs, Gesellschaften, Verbindungen oder Bünde. Die Kirche war seinerzeit derart ein Monopol und auch die Familienbande waren so eng, daß kein Mensch den Gedanken an einen Verein - im heutigen Sinne - hatte. In 1794 gestand das "Allgemeine Preußische Landrecht" den Untertanen die sogenannte Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit zu. Gleichzeitig war jedoch jegliche politische Aktivität in diesem Zusammenhang verboten worden. Das war die Zeit, in der in Deutschland Gleichgesinnte anstrebten sich zu gemeinsamen Zwecken zu vereinigen und das Recht der freien Versammlung auszuleben.

Während der Kriege gegen Napoleon wurde in den französisch besetzten Zonen der Code civil - offiziell auch Code Napoléon - eingeführt. Napoleon strebte an, ein vernunftgegründetes allgemeines Recht zur Verfügung stellen und damit eine Rechtsvereinheitlichung zu schaffen. Einer dieser Errungenschaften war die strikte Trennung von Staat und Kirche.

1815 - Napoleon war besiegt - versuchte man durch den Wiener Kongress die Uhr wieder zurückzudrehen, und man setzte das alte absolutistische System wieder ein. Im Deutsche Bund herrschten liberale und nationale Ideen vor, die an verschiedenen deutschen Höfen eine gewisse Revolutionsangst hervorrief. Vereinzelt wurden Vereine wieder verboten und das Versammlungsrecht beschränkt. Mit den sogenannten Karlsbader Beschlüssen bewirkte man 1819 das Verbot der öffentlichen schriftlichen Meinungsfreiheit und der Burschenschaften, die Überwachung der Universitäten, die Zensur der Presse und sogar die Schließung der Turnplätze (Turnsperre von 1820 bis 1842). Erst mit der deutschen Revolution 1848/49 wurden die Karlsbader Beschlüsse wieder abgeschafft.

Das 19. Jahrhundert war im ungeeinten Deutschland eine bewegte Epoche. Trotz aller Unsicherheiten wurden dennoch viele der landesweiten unpolitischen Vereine durch die Regierung begünstigt - so regte sich in dieser Zeit auch im nassauischen Reichelsheim der Wunsch, einen Verein zu gründen.

Der älteste Reichelsheimer Verein ist der Gesangverein "Liederkranz".
Vieles ist nicht bekannt über die Reichelsheimer Vereine, die die Zeit nicht überdauerten. Lehrer Heinrich Keller widmete den Vereinen ein kleines Kapitel in seinem Heimatbuch über Reichelsheim und führte dort 11 Vereine auf.


'Aus dem Heimatbuch Reichelsheim 1930-1935, geschrieben von Lehrer Heinrich Keller'

Von den Reichelsheimer Vereinen: (S.122-129)


Es gab aber doch auch noch weitere Vereine - große Vereine sogar - einige davon existieren heute noch!

hatte Lehrer Keller nicht erwähnt ... warum? Wahrscheinlich gab es bis zu diesem Zeitpunkt noch weitere Vereine, von deren Existenz wir heute nicht mehr wissen.

Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 wurden Vereine und viele Einrichtungen über die Partei gleichgeschaltet. Davon waren auf jeden Fall die Feuerwehren betroffen. Das preußische "Gesetz über das Feuerlöschwesen" vom 15. Dezember 1933 unterstellte die Berufsfeuerwehren, freiwilligen Feuerwehren und Pflichtfeuerwehren der Ortspolizeiverwaltung und den Polizeiaufsichtsbehörden. Somit war die Feuerwehr kein Verein mehr, sondern ein Organ der Staatsgewalt.

Direkt nach dem Krieg war jegliche Vereinstätigkeit vorerst verboten und erst nach und nach wurden die Vereine wieder zugelassen. Manch einer der Vereine ist nicht wieder aktiv geworden.