Ortsteil Reichelsheim / Luftschiffe über Reichelsheim

Aus Historisches Reichelsheim

Auszug aus "Der Spiegel" „Nee, meine Herren, det is nischt“ vom 11.05.1987

5. August 1908. Wegen eines Motorschadens muß Graf Zeppelin mit seinem vierten Luftschiff, auf dem Rückweg von Mainz nach Friedrichshafen, auf freiem Feld bei Echterdingen notlanden. Das Luftschiff wird vom Sturm losgerissen und geht vor den Augen Tausender von Zuschauern in Flammen auf. Trauer und Schweigen, heißt es in Berichten, "eine schmerzliche Betroffenheit besonderer Art" habe danach die Nation ergriffen. Doch dann schlug die Stimmung um: Ein Sturm nationaler Begeisterung erhob sich. Kinder knackten ihre Spardosen. Bankiers und Hausfrauen spendeten für den Weiterbau. Eben noch wähnte sich der "völlig trostlose" Graf am Rande des finanziellen Ruins, da hatte sich über Nacht eine Summe von über sechs Millionen Mark angesammelt. Fortan war für die Deutschen der Luftschiffbau eine nationale Angelegenheit, die Zigarre am Himmel wurde zum Symbol deutscher Großmachtträume.
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Doch dann macht die Weltwirtschaftskrise alle hochfliegenden Pläne wieder zunichte. Erst nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wendet sich das Blatt. Bereits zur großen Maiparade war die "Graf Zeppelin" wie zufällig über der Reichshauptstadt aufgetaucht und hatte den Nazitaumel propagandistisch unterstützt. Im November kommt prompt die Gegenleistung. Für den Weiterbau am ersten deutschen Interkontinental-Luftschiff werden drei Millionen Reichsmark aus der "Spende zur Förderung nationaler Arbeit" freigegeben. Goebbels Ministerium hat den "Stolz der Nation" für sich entdeckt. Das neue Regime setzt voll auf die neue Verkehrstechnik. Die kühnsten Hoffnungen der schwäbischen Luftschiffer werden nun mit Millionenaufwand in die Tat umgesetzt. Im Frühjahr 1934 werden vor den Toren Frankfurts 1000 Morgen Wald abgeholzt, um Platz für einen Weltflughafen für Luftschiffe zu schaffen. Die IG Farben legt eine Wasserstoff-Pipeline direkt zum Flugplatz.
Konsequent wird das transatlantische Transportmittel nun zum großdeutschen Pegasus umfunktioniert. Reichsluftfahrtminister Göring führt bei der Gründungssitzung der eigens ins Leben gerufenen "Deutschen Zeppelin Reederei" aus, das Luftschiff habe "nicht nur ausschließlich den Zweck, den Atlantik zu überfliegen, sondern auch repräsentative Aufgaben zu übernehmen". Was das heißt, zeigt sich nicht nur im Anbringen der Hakenkreuze am Heck des LZ 129. Ob bei Maifeier- oder Reichsparteitagen oder beim Einmarsch ins Sudetenland - die Zeppeline stehen wie ein Damoklesschwert über den Ereignissen und verlängern die Ehrfurcht vor dem Führer ins Riesenhafte.
Größter Clou des Propagandaministeriums ist die sogenannte Deutschlandfahrt im März 1936. Mit ihrem kleinen Schwesterschiff steigt die "Hindenburg" zu einer Fahrt von Königsberg bis Garmisch-Partenkirchen auf, um die bevorstehenden Reichstagswahlen propagandistisch zu unterstützen. Auf deutsche Gaue regnen unzählige Wimpel und Flugblätter, und aus den Bordlautsprecher der Luftschiffe erklingt die Parole: "Tut eure Pflicht, wählt den Führer."

Der Anblick der silbergrauen Kolosse bei ihrer gemeinsamen Deutschlandfahrt vom 26. bis 29. März 1936 sorgte für großes Aufsehen bei Jung und Alt.


Weltflughafen Frankfurt

Wie schon im Spiegel-Artikel erwähnt: 1934 ließen die Nationalsozialisten westlich der im Bau befindlichen Reichsautobahn Frankfurt-Darmstadt ca 1000 Morgen Wald abholzen um dort den größten Luftschiffhafen der Welt entstehen zu lassen. Mit dem neuen Flughafen sollte Frankfurt zur zentralen Heimatbasis für Luftschiffe in Deutschland werden. Die Zeitschrift Die Woche nannte ihn den neuen Weltflughafen: „Die Überseereisen unserer Luftschiffe werden in Zukunft auf dem Weltflughafen Rhein-Main ihren Anfang nehmen.“[1]
In unmittelbarer Nähe zum Flughafengelände errichtete man die Siedlung Zeppelinheim für die Familien der Luftschiffer. Die Stadt Neu Isenburg unterhält dort heute ein Zeppelin-Museum, welches dort von der Kameradschaft ehemaliger Luftschiffer gegründet wurde.

In den nächsten Jahren war der neue Flughafen Heimatstützpunkt der beiden größten deutschen Luftschiffe LZ 127 Graf Zeppelin und LZ 129 Hindenburg. Es war in Reichelsheim also durchaus möglich, öfters in den Genuß des Anblicks dieser Wunderwerke deutscher Technik zu kommen.

Der Graf Zeppelin (LZ 127) war 236,6 m lang und hatte einen Durchmesser von 30,5 m. LZ 127 war das erste Verkehrsluftfahrzeug, das Fluggäste planmäßig über die Weltmeere brachte. Von 1928 bis zu zur Außerdienststellung 1937 führte es 590 Fahrten aus, davon 144 Ozean-Überquerungen. Durch eine Weltfahrt 1929 und einer Arktisfahrt 1931 wurde es zu einem der bis heute bekanntesten Luftschiffe überhaupt. 1940 wurde das Schiff, obwohl es noch vollständig einsatzfähig war, gemeinsam mit LZ 130 in Frankfurt angeblich wegen des Aluminiumbedarfs der Luftrüstung verschrottet.
Der Zeppelin LZ 129 "Hindenburg" war 245 Meter lang. Der größte Durchmesser betrug 41,2 m. Die Hindenburg zählt damit zu den größten Luftfahrzeugen aller Zeiten. Die Deutschlandfahrt 1936 war zugleich Jungfernfahrt des Riesen nach seiner Auslieferung an die Deutsche Zeppelin-Reederei. Das legendäre Luftschiff erlangte traurige Berühmtheit, als es am 6. Mai 1937 in Lakehurst (USA) beim Landemanöver verbrannte.
Im 1996 eröffneten Zeppelin-Museum in Friedrichshafen ist unter anderem eine begehbare originalgetreue Rekonstruktion eines Teils von LZ 129 ausgestellt.

Lakehurst war sicherlich ein Grund dafür, daß die Zeppelin-Luftschiffahrt letztendlich nicht weiterentwickelt wurde. Am 6. Mai 1940 - dem 3. Jahrestag des Unglücks von Lakehurst - hatte man sogar in aller Konsequenz die gigantischen Luftschiff-Hallen in Frankfurt gesprengt und beseitigt. Somit endete eine Ära, die ca. 40 Jahre die Menschen in der ganzen Welt in Begeisterung versetzte.

Seit August 2013 erinnert eine Gedenktafel an der Aussichtsplattform nahe dem Luftbrückendenkmal in Zeppelinheim mit Blick auf jenen Bereich des Flughafengeländes, auf dem damals die Luftschiffhallen standen an die wechselvolle Geschichte des Flughafens.


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Referenzen

  1. Die Woche, Heft 21, 20. Mai 1936, S. 3.