Ortsteil Reichelsheim / Die Häuser im alten Reichelsheim
Die Seite "Die Häuser im alten Reichelsheim" dient der Information zur Bau- und Besitzgeschichte der Häuser im Bereich der denkmalgeschützten Altstadt und der sogenannten Vorstadt. Es handelt sich um ein Projekt, welches kontinuierlich ergänzt wird. Zu vielen Häusern sind derzeit entweder keine oder nur wenige Angaben vorhanden. Alle Interessierten sind herzlich dazu eingeladen, selbst Recherchen vorzunehmen, ihr spezielles Wissen zu Häusern und ihren Bewohnern beizusteuern oder alte Fotografien zur Verfügung zu stellen.
Nach Auskunft des Hessischen Staatsarchivs sind Baugenehmigungen in Hessen erst seit 1891 vorgeschrieben und entsprechende Unterlagen wie Baupläne oder Situationspläne vor dieser Zeit eher zufällig zu finden. In Nassau schien das anders gewesen zu sein, da für Reichelsheim einzelne Bauanträge seit dem Jahre 1833 vorliegen.
Über viele Generationen gab es zur Unterscheidung individuelle Häusernamen oder Hofnamen, die nicht unbedingt mit dem Familiennamen des Hofinhabers übereinstimmen mussten (z.B. das Haus Ottos - Bingenheimer Str. 23). Aber genauso oft gab es auch Familiennamen zu den Häusern, die von mehreren Generationen in verschiedene Häuser getragen wurden (ganz Typisch der Name Ölschlejers für einige Familien mit dem Nachnamen Vogt).
Einige Zeit vor dem I. Weltkrieg wurden die heute gültigen Hausnummern eingeführt. Bis dahin gab es in Reichelsheim keine Hausnummern, die nur einer bestimmten Straße zugeordnet waren (jeweils von 1 bis x). Die an die 160 Anwesen wurden nach Einführung der Brandversicherungspflicht (1806 in Nassau) bestandsmäßig erfasst und beginnend mit der vor dem Ort liegenden Mühle, diese bekam die Nummer 1 , bis zum letzten Anwesen durchnummeriert. Nachträglich gebaute Häuser erhielten eine sogenannte eingeschobene Nummer (Der Faselstall z.B: 64 5/10)
Unglücklicherweise änderte sich die ursprünglich fortlaufende Brandkatasternummer bei Zukauf, Verkauf oder Abriss einzelner Gebäude, so daß die Recherche nach Haus und Eigentümer im nachhinein nicht immer einfach ist. Auch stimmen die vergebenen Nummerierungen der Anwesen in den aufgestellten Brandkataster verschiedener Jahrgänge nicht überein, weil zwischen 1808 und 1866 mindestens 2 mal eine Neunummerierung durchgeführt wurde. Die in diesem Artikel aufgeführten Nummern sind dem, nach Friedensvertrag von 1868, neu aufgestellten Brandkataster entnommen. Diese Nummerierung hatte sich bis zur Einführung der zusammengehörigen Straßen- und Hausnummer nicht mehr geändert.
- nachzuvollziehen z.B. im Historischen Adressbuch Oberhessen von 1906 (öffnet externe Internetseite im GenWiki)
- Liste der Namen zu den Adressen laut Adressbuch Oberhessen von 1906 in Reichelsheim
- Katasterplan von Reichelsheim aus dem Jahre 1906 mit den eingetragenen Nummern des laufenden Brandkatasters
Nach Einführung von Hausnummern (jeweils 1 bis … ) zu den Straßennamen wurden die früheren Brandkatasternummern durch diese ersetzt. Die Hausnummer 1 erhielt in der Regel das Haus rechts am Anfang der Straße. Gerade Nummern sind in Reichelsheim auf der linken Straßenseite angeordnet (von dieser Regelung gab es allerdings Abweichungen z.B. in der Sandgasse und der Sackgasse). Die Nummerierung der Seitenstraßen und Gassen beginnt in aller Regel von der Hauptstraße aus gesehen. Die Zuordnung eines Grundstücks zu einer bestimmten Straße sowie seine Nummerierung obliegt der Gemeinde. Im Laufe der Jahre wurden im alten Ortskern einige Eckhäuser so umgebaut, daß diese Zuordnung nicht mehr stimmt - Straßenname und Hausnummer aber beibehalten wurde. Beispiel: Bingenheimer Str. 10 oder die Kirchgasse 13 - auch die Kirchgasse 1 ist so ein Grenzfall.
Die Gasthäuser - soweit bekannt - sind zusätzlich hier noch einmal in einer eigenen Kategorie aufgeführt.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Bad Nauheimer Straße
- 2 Bahnstraße
- 3 Bingenheimer Straße
- 3.1 Bingenheimer Str. 1
- 3.2 Bingenheimer Str. 2
- 3.3 Bingenheimer Str. 3
- 3.4 Bingenheimer Str. 4
- 3.5 Bingenheimer Str. 5
- 3.6 Bingenheimer Str. 6
- 3.7 Bingenheimer Str. 7
- 3.8 Bingenheimer Str. 14/14a
- 3.9 Bingenheimer Str. 15
- 3.10 Bingenheimer Str. 20
- 3.11 Bingenheimer Str. 21
- 3.12 Bingenheimer Str. 25
- 3.13 Bingenheimer Str. 26
- 3.14 Bingenheimer Str. 27
- 3.15 Bingenheimer Str. 28
- 3.16 Bingenheimer Str. 29
- 3.17 Bingenheimer Str. 30
- 3.18 Bingenheimer Str. 32
- 3.19 Bingenheimer Str. 33
- 3.20 Bingenheimer Str. 34
- 3.21 Bingenheimer Str. 35
- 3.22 Bingenheimer Str. 40
- 3.23 Bingenheimer Str. 41
- 3.24 Bingenheimer Str. 47
- 3.25 Bingenheimer Str. 57 - 59
- 4 Fachwerkstraße
- 5 Florstädter Straße
- 6 Haingasse
- 7 Kirchgasse
- 8 Neugasse
- 9 Römerberg
- 10 Sandgasse
- 11 Schweizergasse
- 12 Turmgasse
Bad Nauheimer Straße
Bad Nauheimer Str. 2
Das Haus Bad Nauheimer Str. 2 hatte die Brandkatasternummer 169.
Das Anwesen wurde 1904 von dem Fleischermeister Wilhelm Vogt VIII als Wohnhaus mit Wirtschaftsbetrieb und Metzgerei erbaut. Es gab keine Nachkommen, die das Fleischergeschäft erlernten, so wurde der Betrieb an den aus Nidda stammenden Peter Friedrich verpachtet, welcher einige Jahre später des Gasthauses „zur Rose“ in der Bingenheimer Straße erwarb. Das Fleischergeschäft wurde geschlossen aber der Gastbetrieb „Deutsches Haus“ wurde von Schauermanns bis Ende der 60er Jahre aufrecht erhalten. Schauermanns sind direkte Nachkommen des Wilhelm Vogt.
Bad Nauheimer Str. 6
Im März 1961 wurde hier eine „neue“ Tankstelle in Reichelsheim eröffnet.
Die alte Tankstelle befand sich ursprünglich auf dem Grundstück Bad Nauheimer Str. 8. Bedingt durch einen Anbau an das bestehende Wohnhaus musste diese weichen.
Eine dem seinerzeit technischem Stand entsprechende Tankstelle mit Wasch- und Reparaturhalle entstand 1960/61 neu auf dem angrenzenden Grundstück Bad Nauheimer Str. 6 und ist vor einigen Jahren mit dem letzten Pächter Herrn Herröder geschlossen worden. Danach versuchte sich auf dem Gelände noch eine Reparaturwerkstatt mit Zweiradhandel.
Heute steht auf den Grundstücken Bad Nauheimer Str. 6 und 8 ein moderner Wohn- und Geschäftskomplex.
Bad Nauheimer Str. 8
Um 1900 verzog die Familie des Uhrmachers Christian Heinrich Sauer nach Reichelsheim und baute sich 1901 in der damaligen Weckesheimer Straße, welche seinerzeit zur Vorstadt gehörte ein Wohn- und Geschäftshaus
Das Gebäude erhielt die eingeschobene Brandkatasternummer 169 3/10
Im Erdgeschoss war ein Geschäftszimmer vorgesehen welches als Laden und Werkstätte gedacht war. Ein Schaufenster war nicht vorgesehen. Bereits im Jahre 1910 heiratete die Tochter der Familie den aus Rostock stammenden Uhrmacher Anton Friedrich Wilhelm Suhrbier, welcher das Geschäft weiterführte. Recht früh schon erweiterte die Familie ihre Dienstleistung um eine "Standard"-Servicestelle - eine Tankstelle der Deutsch-Amerikanischen Petroleum Gesellschaft.
1934 heiratete der Mechaniker Georg Nicolaus Rößner in die Familie. Alsbald hieß das Geschäft Suhrbier & Rößner
1953 inseriert die Firma Suhrbier & Rößner mit dem Schriftzug "Fachgeschäft seit 1884"
Christian Heinrich Sauer heiratete 1884 in Frankfurt seine aus Bornheim stammende Frau und legte dort wohl den Grundstein für sein Uhrmachergeschäft.
Im März 1961 eröffnete Herr Rößner auf dem angrenzenden Grundstück - damals Weckesheimer Straße 6 - eine neue Esso Servicestelle und erweiterte das Wohn und Geschäfthaus in der Weckesheimer Str. 8 um einen Anbau.
Bad Nauheimer Str. 13
Die Molkerei an der ehemaligen Weckesheimer Straße erhielt die Brandkatasternummer 170
1892 plante die Molkereigenossenschaft - damals außerhalb des Ortes an der Weckesheimer Straße - eine seinerzeit modernst ausgestattete Dampf-Molkerei mit einem Eisraum von beachtlichen 30qm bei 4,5m höhe (135 Kubikmeter). Erst im November 1893 wurde der Bau genehmigt und von da an diente das Gebäude fast 70 Jahre lang der Verwertung der hiesigen Milchproduktion.
Nach dem Zusammenbruch der Wetterauer Großmast und Zuchtanstalt GmbH wurde deren Areal von der Molkereigenossenschaft erworben und dadurch das Firmengrundstück erweitert.
Mitte der 60er Jahre kaufte die Landwirtschaftliche Bezugs- und Absatzgenossenschaft Reichelsheim das Gelände.
2011 wurden alle Gebäude abgerissen und auf dem Gelände ein Verbrauchermarkt errichtet.
Einen ausführlichen und interessanten Artikel dazu hat Alexander Hitz auf seiner Webseite veröffentlicht
Bad Nauheimer Str. 17
Das Anwesen des Adolph Nohl an der ehemaligen Weckesheimer Straße erhielt im Juni 1902 die Baugenehmigung und erhielt die eingeschobene Brandkatasternummer 170 2/10
Bilder zum Anwesen Bad Nauheimer Str. 17
Bad Nauheimer Str. 39
Die Ziegelei an der ehemaligen Weckesheimer Straße hatte die eingeschobene Brandkatasternummer 170 4/10
Das Anwesen wurde von dem Ziegelfabrikant Kötter von 1902 bis 1906 bebaut. Die Aufnahme zeigt das an der Straße stehende Wohnhaus, dahinter das Arbeiterwohnhaus, die Backsteinbrennerei, eine Ringofenanlage und ein Maschinenhaus. Die länglichen Gebäudereihen sind die Lager- und Trockenhallen für die Steine. In Reichelsheim nannte man die Ziegelei auch "Russefabrik", weil dort unter anderem hartgebrannte Ziegelsteine hergestellt wurden, die man umgangssprachlich Russensteine nannte. (hier eine mögliche Erklärung zu dem Namen "Russensteine")
Heute sind bis auf das Wohn- und Arbeiterhaus alle Ziegeleigebäude abgerissen. Die um die Ziegelei herum entstandenen Vertiefungen des Lehmaushubes sind teilweise wieder aufgefüllt worden. Während des Lehmabbaus konnten mehrfach interessante Grabungsfunde bis zurück zur sogenannten Urnenfelderkultur (etwa 1300 v. Chr. bis 800 v. Chr.) sichergestellt werden.
Bahnstraße
Bahnstraße 10
Das Gebäude erhielt die eingeschobene Brandkatasternummer 167 4/10
Im Jahre 1904 übernahm der aus Jugenheim a. d. Bergstraße stammende Philipp Ross das im Jahre 1899 von Adolf Nohl als Wohnhaus mit Schlosserwerkstatt gebaute Anwesen und eröffnete dort mit seiner Frau Henriette eine Gastwirtschaft.
Später erweiterte er unter anderem mit einer Handlung für Kohlen und Baustoffe, Öfen und Herde, Fahrräder, Waschmaschinen und Nähmaschinen. Auf dem noch heute vorhandenen eisernen Tor stehen die Initialen PH R 1932.
Ernst Leuchtenberger übernimmt 1951 die Nachfolge, welcher in den 50er Jahren an Arthur Bernhard Schäfer verpachtete.
1958 verkaufte Leuchtenberger an Tierarzt Dr. Knoche - die Gaststätte wurde weiterhin noch einige Jahre verpachtet.
Das Anwesen wird seit einigen Jahren nicht mehr geschäftlich genutzt.
Bahnstraße 21
Das Gebäude erhielt die Brandkatasternummer 171
Unter der Adresse Bahnstraße 21 findet man heute das ehemalige Bahnhofsgebäude und einen Teil des ehemaligen Bahngeländes. Das Anwesen ist seit einigen Jahren in Privatbesitz.
Einen Artikel zum Bahnhof findet man --> hier
Bingenheimer Straße
Bingenheimer Str. 1
Das heutige "historische Rathaus" gehört zu den ältesten Gebäuden im Ort. Als Reichelsheim in 1567 zum nassauischen Amt erklärt wurde hatte man beschlossen diesen im Ortskern gelegenen Saalbau errichten lassen, dessen steinerner Unterbau an Markttagen als Kaufhalle gedient haben soll. In dem Rundbogen zum Aufgang in das Obergeschoss ist die Jahreszahl 1576 eingehauen. An der Westseite ist eine Nassauer Elle eingearbeitet. Dieses war das in Nassau letztgültige amtliche Längenmaß, welches den Händlern als auch den Käufern zur Längenbestimmung diente und woran jedermann sein eigenes Maß unentgeltlich prüfen konnte. Als 1866 Reichelsheim zu Hessen kam wurde das Gebäude zum gemeindlichen Schulhaus umgebaut. Es wurde bis auf den unteren, steinernen Teil abgetragen und ein neuer Bau - im sogenannten Schweizerstil - aufgesetzt. Auch das Türmchen wurde neu aufgeführt und mit einem Wetterfähnchen so wie einem von dem Schmied Siegfried Vogt gestifteten Schulglöckchen versehen (s. Kirchenbuch S 222 f). Schuleinweihung war im Oktober 1867. Das Glöckchen mußte übrigens 1917 (1. Weltkrieg) zusammen mit der mittleren Kirchenglocke abgegeben werden und wurde eingeschmolzen. Den obersten Stock - unter dem Dach - hatte man in den 1930er Jahren ausgebaut. Die Räumlichkeiten sollten den Vereinen, dem Gemeindearchiv als auch den Mädchen- und Fortbildungsschulen zur Verfügung stehen. Den ersten Bürgermeister beherbergte das Haus erst nach dem zweiten Weltkrieg. Als Schule wurde das Haus noch bis Ende der 1950er Jahre genutzt, danach wurde es zum Sitz der Gemeindeverwaltung bis zum Umzug in das neugebaute Rathaus im Sommer 2014.
Bingenheimer Str. 2
Das Pfarrhaus hatte die Brandkatasternummer 122.
Das "Alte Pfarrhaus" wurde im Jahre 1912 abgebrochen. Man kann recht gut erkennen, daß der ursprüngliche längliche Bau in früheren Zeiten durch einen Anbau (rechts) erweitert wurde und insgesamt eine Straßenfront von knapp 16 Meter inne hatte. Im Hofinneren der evangelischen Kirchengemeinde befand sich die Pfarrscheune, welche zur Zeit des Baugenehmigungsverfahrens bereits niedergelegt war. Die Zeiten, in denen auch der Pfarrer in Reichelsheim seinen Lebensunterhalt durch landwirtschaftliche Nebentätigkeit sichern musste, war damit nun endgültig vorüber. Das neue Pfarrhaus ist zwar nicht größer, aber es ist nun geräumiger, moderner und schöner und das Gebäude ist aktuell dem Verlauf der Straße entlang der "neuen" Baufluchtlinie ausgerichtet. Es passt im Baustil zu den Häusern, welche um die Jahrhundertwende in Reichelsheim errichtet wurden.
In den 1940er Jahren wurde der Dachstuhl des neuen Pfarrhauses durch Hausbockbefall so stark beschädigt, daß das Mansardenwalmdach abgetragen werden mußte. Seither ist der Dachstuhl als einfaches Walmdach ausgeführt.
Die beiden Aufnahmen rechts sind von der Florstädter Straße aus gesehen
weitere Aufnahmen, auf denen man mit Blickrichtung von der Bingenheimer Straße her ein wenig vom Pfarrhaus sieht:
- das alte Pfarrhaus im Bild "Ansichtskarte vom Kriegerdenkmal" und
- das neue Pfarrhaus (mit der ursprünglichen Dachform) im Bild zur Bingenheimer Straße 4
Bingenheimer Str. 3
Das Haus Bingenheimer Str. 3 hatte die Brandkatasternummer 30.
Die Aufnahme ist recht deutlich - man kann über dem mittleren Fenster unter dem Versicherungsschild die Nummer 30 erkennen.
Bevor die Hausnummern den Straßennamen zugeordnet wurden, hatte man den Häusern die fortlaufende Nummer aus dem Brandkataster zugewiesen.
Dieses Foto stammt aus der Zeit kurz vor dem ersten Weltkrieg, denn in 1910 wurde das Denkmal errichtet und 1914 hatte man bereits Bingenheimer Str. 3 angegeben.
Eigentümer war damals ein Karl Eckhold. Erkennen kann man die Personen leider nicht, man sieht aber sehr gut, daß die beiden Jungen in den Fenstern die damals typische Matrosenmütze tragen.
Im Besitz der Familie Faulstich wurde der Putz am Wohnhaus entfernt und das Fachwerk aufwendig herausgearbeitet.
Bingenheimer Str. 4
Das Haus Bingenheimer Str. 4 hatte die Brandkatasternummer 123.
Das Haus hatte lange Zeit als Gasthaus gedient bevor es Ende der 60er Jahre abgerissen wurde. Das Baudatum lässt sich heute nicht mehr zurückverfolgen aber bis in’s 17. Jahrhundert zurück ist die Gastwirtstradition nachvollziehbar. So, wie sich das Gebäude auf dem Foto darstellt ist es nicht immer gewesen. Im Ursprung war es ein kleines giebelständiges Haus. Die Platzverhältnisse waren anders als man es sich heute vorstellte. Man lebte auf engstem Raum und auch die Gaststätte ähnelte nicht einmal dem, was man sich heute unter einer solchen vorstellen vermag. In 1890 erfolgte durch Karl Sprengel II der Umbau. Der Neubau umfasste im Erdgeschoss den Zugang von der Hauptstraße zu einem Metzgereiladen mit einem großzügigem Schaufenster, zusätzlichem Wohnraum im Obergeschoss und einer Räucherkammer im Hinterhof. Karl Sprengels jüngster Sohn Hermann übernahm die Metzger- und Gastwirtstradition, fiel aber mit 33 Jahren im letzten Kriegsjahr des 1. Weltkrieges und hinterließ 2 kleine Kinder. 1921 heiratete dessen Witwe den aus Ortenberg stammenden Metzger Heinrich Schember und seit dieser Zeit sagte man: „Zum Schember“. Zur Gaststätte Mühlig wurde es, als Hermann Sprengels Tochter Alice 1934 den Metzger Karl Mühlig aus der Haspelgasse heiratete, welcher den Betrieb übernahm und auch die Gaststätte weiterführte. In den 1960er Jahren folgten verschiedene Pächter. Mit Günther Freitag als letzten Pächter erhielt die Gaststätte den Namen „Ratsstüb’l“ - bekanntheit erlangte die Gaststätte jedoch unter dem Namen „Das blonde Loch“. 1968 wurde das Gebäude abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Im Neubau wurde von Christine Mühlig der „Salon Christine“ eröffnet. Bis 1979 war dort der Salon in Betrieb.
Bingenheimer Str. 5
Das Haus Bingenheimer Str. 5 hatte die Brandkatasternummer 29.
siehe auch den Artikel der Rubrik "Damals" / Anwesen Bingenheimer Straße 5 um 1911
Bingenheimer Str. 6
Überliefert ist der Hausname "Kastemoastersch" - mehrere Generationen Schmid waren Kastenmeister, eine alte Bezeichnung für den Kirchenrechner
Das Haus Bingenheimer Str. 6 hatte die Brandkatasternummer 124.
1811 kauft Johann Wilhelm Schmid das Gehöft in der damaligen Hauptstraße 124 und eröffnet dort im gleichen Jahr die Wirtschaft "Zur weißen Lilie". Das giebelständige Wohnhaus stammt im Kern aus dem 17. Jahrhundert.
In den 1870er Jahren wurde es von Georg Gustav Schmid - Besitzer in der 3. Generation - erheblich umgebaut und erweitert sowie mit einer repräsentativen Fassade versehen. Neben den Wohnräumen umfasste es nun eine Freitreppe, einen durchgehenden Flur, den Kolonialwarenladen, die Gaststube und im Obergeschoss einen Saal mit Musikerempore. Aufschrift am Haus: "ZUR LILIE, Gustav Wilhelm Schmid, selbst gekelterter Apfelwein. Der Bauantrag von 1873 ist noch im Stadtarchiv vorhanden. Im Gründungsjahr des Vorschuss und Creditvereins fand 1865 die erste Generalversammlung im Gasthaus zur Lilie statt und bis 1910 auch alle weiteren. Nachfolger von G. W. Schmid - der im Mai 1906 starb - wurde seine Tochter Mathilde verheiratete Schäfer - bereits seit fast 14 Jahren Witwe. Als auch sie 1915 starb, war Sohn Rudolf 29 Jahre alt, verheiratet und hatte 3 kleine Kinder. Im Adressbuch der Wetterau von 1915 steht Adolf Conrad - der Schwiegervater von Rudolf Schäfer und ehemaliger Eigentümer des Gasthaus zur Rose - als Gastwirt unter dieser Adresse. Der Gastbetrieb in der Lilie ist 1918 aufgegeben worden. Im gleichen Jahr wurde Rudolf Schäfer Rechner des Vorschuss und Creditvereins, damit war die ehemalige Lilie Hausadresse und Kasse der Genossenschaft. In 1927/28 wurde das genossenschaftseigene Kassengebäude in der Vorstadt errichtet - die heutige Landbank Horlofftal. Rudolf Schäfer starb 1930 mit 44 Jahren.
Das Haus in der Bingenheimer Str. 6 ist heute (2020) mit Familie Schichta immer noch im Familienbesitz.
Bingenheimer Str. 7
Das Haus Bingenheimer Str. 7 hatte die Brandkatasternummer 28.
Ein recht kleines Anwesen - heute existiert das Haus und auch die Hausnummer nicht mehr.
Es gehörte zur Zeit der Aufnahme dem Weißbindermeister Konrad Becker, dem Vater von Karl Becker, welcher 1925 die Erzählung "Der Hexenmeister von Reichelsheim" veröffentlichte. (sie dazu auch den Artikel aus der Wetterauer Zeitung vom 09. Dez 2006 - Karl Beckers Erzählung "Der Hexenmeister von Reichelsheim")
Die Aufnahme zeigt Karl Beckers Schwester Pauline (im Fenster) und ein Nachbarskind. Pauline war von Beruf Putzmacherin - sie stellte die Accessoires her, die man als Frau brauchte um sich "herauszuputzen" - vornehmlich Hüte.
Weiterhin schrieb dieses Haus Geschichte, als sich 1956 auch in Hessen Lotto 6 aus 49 durchsetzte. Im Wohnzimmer des Hauses Bingenheimer Str. 7 bei Familie Bönsel gab es in Reichelsheim die erste Annahmestelle für Hessen Lotto.
Bingenheimer Str. 14/14a
Bingenheimer Str. 15
Das Haus Bingenheimer Str. 15 hatte die Brandkatasternummer 23.
Dieses Haus wurde 1954 durch einen Neubau ersetzt.
In 1881 wurde hier noch ein neuer Backofen gebaut – Heinrich Wilhelm Vogt war Ackersmann und Bäcker. Die Einfriedung zur Straße hin, das Hoftor und der Zaun wurden 1904 durch dessen Sohn, dem Schuhmachermeister Karl Wilhelm Vogt erneuert.
Nach dem Tod des Schuhmachermeisters Karl Wilhelm Vogt bzw. dessen Frau - die ohne Nachkommen waren, wurde das Anwesen noch einige Jahre von den Erben vermietet. Während und nach dem Krieg fanden hier Flüchtlinge bzw. Vertriebene eine Bleibe. 1954 wurde das Anwesen an die Familie Schäfer aus der Unteren Haingasse (Schreinerhannese) verkauft, die dort im gleichen Jahr ein großes modernes Wohn-Geschäftsgebäude errichteten.
Bingenheimer Str. 20
Überliefert ist der Hausname "Kaufhaus Schwarz" oder auch einfach nur "Schwarze" ... später "Meiersch"
Das Haus Bingenheimer Str. 20 hatte die Brandkatasternummer 163
Die Familie Schwarz stammte ursprungs nicht aus Reichelsheim. Friedrich Bernhard Schwarz, geb. am 5.11.1820 in Leyten bei Minden war Kaufmann. Sein Name taucht erstmalig 1849 auf, als sich dieser mit seiner aus Solingen stammenden Frau in der Kirche zu Reichelsheim trauen lässt. Einer seiner Brüder, Carl Ferdinand Schwarz lässt sich in Echzell als Kaufmann nieder. Ein weiterer Bruder pachtet die Staatsdomäne Baiersröderhof. Die Familie Schwarz ist in der Wetterau sehr bekannt.
Unter dem Kaufmann Friedrich Bernhard Schwarz wurde das Anwesen mehrfach baulich verändert und durch Anbauten erweitert. Nachweislich wurden auch hier z. Z. des F. B. Schwarz Zigarren hergestellt.
Die Ehe der Familie F. B. Schwarz blieb Kinderlos. Seine Schwester Friedericke Schwarz, die mit ihrem aus Auhagen bei Hannover stammenden Ehemann Friedrich Wilhelm Meier nach Reichelsheim kam, führte den Betrieb fort. Damit begann auf diesem Anwesen eine vier Generationen überdauernde Kaufmannstradition mit dem Familiennamen Meier, die mit dem letzten männlichen Nachkommen, Willi Meier endete.
Bingenheimer Str. 21
Überliefert ist der Hausname "Veithebäcker"
Das Haus Bingenheimer Str. 21 hatte die Brandkatasternummer 19
Bingenheimer Str. 25
Überliefert ist der Hausname "Schlossersch" - 3 Generationen der Familie Sprengel betrieben dort eine Schlosserei
Das Haus Bingenheimer Str. 25 hatte die Brandkatasternummer 3.
In "Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen von Dr. Rudolf Adamy" aus dem Jahre 1895 beschreibt Adamy das Gebäude auf Seite 252 (Blatt 301 in der Webansicht) wie folgt: "Vor dem Thore ist ein aus Ziegelsteinen erbautes Haus mit einer noch kenntlichen ehemaligen Thorfahrt vorhanden. Dieses Haus soll ein Saalbau gewesen sein. Das anstossende aus Fachwerk erbaute Haus ist über einem Keller errichtet dessen rundbogiger Eingang die Jahreszahl 1730 trägt. Dieses Haus soll dem Fürsten Heinrich von Schwarzburg-Sondershausen gehört haben, der im Jahre 1758 starb und in der Sakristei der Kirche begraben liegt."
Fürst Heinrich residierte in Reichelsheim von 1740 -1758. Wenn dieses Gebäude - wie oben erwähnt - in 1730 erbaut wurde, hat es zu Heinrichs Zeiten bereits schon seit 10 Jahren gestanden. Somit kann Fürst Heinrich eigentlich nicht als Erbauer dieses Anwesens gelten, wie es so oft geschrieben steht.
Im Landesarchiv ist ein Dokument zu finden: Die Hofkammer von Nassau-Weilburg verkauft Philipp Jacob Brunn zu Reichelsheim (Wetterau) für 1450 Gulden ein Haus vor dem Obertor mit zugehörigem Saalbau und Hofreite. (Datierung 1792 August 6);
siehe https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v5053027
Im ersten Brandkataster von 1808 ist der Eintrag Jacob Bru... - warum auch immer - durchgestrichen. Der Name ist nicht eindeutig zu bestimmen.
Im Brandkataster von 1817 steht Jacob Brum als Eigentümer des Anwesens eingetragen.
Im Brandkataster von 1843 steht Catharina Brum (Tochter des Jacob Brum) als Eigentümerin des Anwesens eingetragen. Neben der ledigen Catharina hatte Jacob Brum noch zwei unverheiratete Söhne und eine mit Joh. Georg Schutt verheiratete Tochter.
Im Brandkataster von 1855 ist der Ziegelbrenner Georg Wilhelm Schutt (Neffe zu Catharina Brum) als Eigner eingetragen. Sein Sohn und seine beiden Töchter verstarben im Kindesalter, seine Frau nahm sich laut Kirchenbuch das Leben.
Als Georg Wilh. Schutt 1886 verstirbt, wird das Anwesen von den Hinterbliebenen an Hermann Sprengel verkauft.
Hermann Sprengel ist im Adressbuch von 1906 als Schneidmüller (historisch für Zimmermann) verzeichnet. Link zum Adressbuch ->
Auf einem Balken im hinteren Bereich des Hofes ist zu lesen: "Renoviert von Hermann Sprengel im Jahr 1905"
In 1910 erfolgt ein Bauantrag - unterschrieben von Hermann Sprengel und seinem Sohn und Rechtsnachfolger Gustav Sprengel - für eine Schlosserwerkstatt auf dem Anwesen. Die Schlosserwerkstatt Sprengel wurde in der dritten Generation von Robert Sprengel 1958 aufgegeben - das Anwesen wurde verkauft.
Neuer Besitzer wird die Firma Schieferstein, Maschinenfabrik für Landmaschienen mit Sitz in Lich. Mit einem 4-Seitigen Artikel wird in der WZ vom 08.05.1958 bekannt gegeben, daß die Maschinenfabrik Lich eine Zweigniederlassung in Reichelsheim eröffnet. 12 Jahre war die Fa Schieferstein erfolgreich in Reichelsheim tätig. Doch das Hauptwerk konnte am Markt nicht mithalten und mußte 1970 Konkurs anmelden. Das Anwesen in Reichelsheim kam in die Konkursmasse und wurde verkauft. Neuer Besitzer ist die Familie Rühl.
19soundsoviel wird die vordere Parzelle des Anwesens geteilt und die eine Hälfte an die Sparkasse Oberhessen verkauft, die dort ein Filialgebäude errichtete.
In den 2020er Jahren wird das Angebot der Sparkassenfiliale in Reichelsheim immer weiter reduziert, bis daß die Filiale schließlich geschlossen wird.
2024 wird das Anwesen an die benachbarte Gastronomiefamilie Grillo verkauft. Der im Eingangsbereich des Gebäudes befindliche Geldautomat ist bis dato aber noch in Betrieb.
Bingenheimer Str. 26
Überliefert ist der Hausname "Henrichs"
Das Haus Bingenheimer Str. 26 hatte die Brandkatasternummer 166.
Die Adresse seinerzeit lautete "Vor dem Oberthor No 166"
Das Anwesen ist als Adelssitz beschrieben und soll dem Landmajor von Trillitz gehört haben.
In "Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen von Dr. Rudolf Adamy" aus dem Jahre 1895 beschreibt Adamy das Gebäude auf Seite 252 (Blatt 301 in der Webansicht) wie folgt: "Vor dem Oberthore sind noch Reste zweier grösserer Hausanlagen. Eine Thorfahrt, nach Art der oft erwähnten Wetterauer Holzthore, jedoch in Stein ausgeführt, trägt über dem Thor für Fussgänger die Jahreszahl der Erbauung und ein Monogramm dazwischen; I7 I P G 25. Die Pfeiler der Thorfahrt haben vertiefte Spiegel, der Bogen flache Reliefornamente, der Schlussstein eine Maske. Der Hauptbogen ist überdacht. Die steinernen Pfannen für die Thürflügel sind noch vorhanden."
Tor- und Türbogen wurden 1978 abgetragen und beim Forsthaus Glaubzahl (Nidda-Harb) wieder aufgebaut. "Foto auf wikimedia"
Auch der straßenseitige Treppenaufgang wurde 1978 entfernt.
Der Hausname Henrichs stammt schätzungsweise aus der Zeit vor 1868. Hausvater war seinerzeit ein Johannes Henrich. Seine Ehe blieb Kinderlos und er verkaufte an den Johann Henrich Conrad. Ein nicht gerade seltener Familienname zu dieser Zeit. Zur Unterscheidung der Familien und der dazugehörigen Anwesen wurde diesen gerne ein Hausname angehängt. In diesem Falle Henrich. Mit der Hochzeit der Tochter Lina änderte sich der Familienname in Coburger (welches auch kein seltener Nachname war) und heute (2017) ist es die Familie Riebensahm. Der Hausname Henrich ist ihnen jedoch erhalten geblieben.
Bingenheimer Str. 27
Überliefert ist der Hausname Dragonersch oder auch Hannese
Das Haus Bingenheimer Str. 27 hatte die Brandkatasternummer 2.
Das Jahr der Erbauung dieses Gebäudes ist nicht bekannt aber zumindest ist es seit Inkrafttreten des Brandkatasters im Jahre 1808 erfasst. Der seinerzeitige Eigentümer Johann Haas erzählte von einem Balken im Gastraum mit der Inschrift 16hundertirgendwas aber auf der ältesten existierenden Karte vom Flecken Reichelsheim aus dem Jahre 1761 ist zwischen Mühle und den Adelshöfen kein weiteres Gebäude eingezeichnet.
Balken sind seit der letzten größeren Renovierung in den 1970ern nicht mehr zu sehen und auch beim Umbau zum Il Colosseo in 2017 kam kein Balken mit einer Jahreszahl zum Vorschein. Es zeigte sich aber, daß zumindest das Erdgeschoß in seltener Massivlehmbauweise errichtet worden ist. Ein Baustil, der in Deutschland erst Mitte des 18ten Jahrhunderts von Frankreich aus eingeführt wurde.
Das Gebäude muß demnach zwischen 1761 und 1800 errichtet worden sein.
Eigentümer zur Zeit der Erfassung des Brandkatasters im Jahre 1808 war ein Johann Henrich Wolf. Dessen Tochter heiratete den aus Blofeld stammenden Johannes Conrad, welcher in Reichelsheim später die Postexpedition erhielt.
Woher stammte wohl der Name "Gasthof zur Post?"
In der Gesangvereinchronik steht geschrieben, daß der "Nassauer Hof" Vereinslokal gewesen sei. Noch in 1865 wurde der "Nassauer Hof" erwähnt. Die Postexpedition in Reichelsheim, die dem Gasthof lange Jahre seinen Namen gab, existierte schon seit 1844 - und es wird angenommen, daß diese im Hause Conrad, dem seinerzeitigen Nassauer Hof (heutige Bingenheimer Str. 27) eröffnet wurde. Es ist wahrscheinlich, daß der "Gasthof zur Post" nach 1866 seinen Namen bekam, als die Nassauer den Krieg verloren und Reichelsheim unter Preußen dem Kurfürstentum Hessen zugesprochen wurde.
Zum 01. Mai 1900 übergibt Franz Conrad das Anwesen an seinen Neffen Wilhelm Sprengel, welcher bis 1902 umfangreiche Baumaßnahmen durchführte. Da wäre z.B. das Schlachthaus samt Räucherkammer sowie der im Jugendstil durchgeführte Anbau mit Verkaufsräumen und Saal im Obergeschoß. Wilhelm Sprengel übergab an Karl Sprengel und dieser an seine Tochter Herma verheirat mit Erwin Geier.
Seit Karl Sprengel war bis nach dem Kriege in der Bingenheimer Str. 27 die Deckstation des Gestüts Dillenburg untergebracht.
Familie Johan Haas und Frau haben das Anwesen 1961 gepachtet und 1964 von Familie Geier gekauft.
Die Gaststätte als solche hatte danach mehrere Pächter und wurde in 1998/99 umfassend renoviert und umgebaut. Der Saal wurde zum Teil Wohnraum und in der Gaststube ist seit 1999 die Pizzeria "Il Colloseo" zu Hause.
Seit 2017 ist die Familie Grillo neuer Eigentümer des Gasthofes. Im Juli 2017 wurde nach langer Umbauphase das "IL Colosseo" neu eröffnet. Der Schriftzug "Gasthof zur Post" wird Geschichte.
Im "Gasthof zur Post" fand in der Nachkriegszeit auch Schulunterricht statt. Die damalige Schule - das heutige "Historische Rathaus" war für die schulpflichtigen Kinder der Reichelsheimer Familien, zusätzlich der aufgenommenen Heimatvertriebenen und Ausgebombten zu klein. Es gab dort nur zwei Klassenräume.
Bingenheimer Str. 28
Das Haus Bingenheimer Str. 28 hatte die eingeschobene Brandkatasternummer 166 1/2
Versicherungsbeginn ist 1869 eingetragen - man kann daraus schließen, daß das Gebäude im Jahr zuvor erbaut wurde.
Versicherungsnehmer und wahrscheinlich auch Bauherr war ein Georg Philipp Eckhold.
In einem Situationsplan von 1885 wurde der Uhrmacher Johannes Ochsenhirt als Grundstücksbesitzer genannt - war als solcher aber nicht im Brandkataster eingetragen. Es ist anzunehmen, daß dieser als Mieter dort lebte
1893 wird ein Adolf Baumann als Eigentümer im Brandkataster eingetragen.
Laut Albert Nohls "Reichelsheim um 1900" lebte in diesem Haus bis zu seinem Tod im Jahre 1899 der aus Heuchelheim stammende Schneidermeister Adolf Baumann mit seiner Familie und hatte dort ein Hutmachergeschäft. Dem Kirchenbuch ist zu entnehmen, daß die Familie 5 Kinder hatte. Der Vater starb früh mit 34 Jahren. Im gleichen Jahr verstarb der Mutter das zweitjüngste Kind und ein Jahr später das kleinste mit nicht mal einem Jahr. 1908, mit 44 Jahren verstarb die Mutter und hinterlässt 3 Waisenkinder. 1914, mit 20 Jahren, zieht der älteste Sohn der drei übriggebliebenen Kinder in den Krieg und kehrt nicht zurück.
1910 erwarb Wilhelm Sprengel das Anwesen - ursprünglich gedacht für seinen Altensitz und vermietet das Haus. Jahrelanger Bewohner war ein Nachkommen des o.g. Uhrmachers Ochsenhirt. Albert Ochsenhirt - auch ein Uhrmacher. Albert Ochsenhirt machte sich in Reichelsheim einen Namen als Fotograf. Viele Reichelsheimer Aufnahmen aus der Zeit um 1900 stammen von ihm.
Ab den 1930er Jahren wohnte im oberen Stock der Gendarm Decene. Während dieser Zeit prangte ein Schild "Gendarmerie" am Haus.
Bingenheimer Str. 29
Das Haus Bingenheimer Str. 29 bekam die eingeschobene Brandkatasternummer 1 9/10
Mit der Gründung des Anwesens wurde 1877 begonnen. In der sogenannten Vorstadt war dies nach den beiden Adelshöfen der erste "Aussiedlerhof" außerhalb der Stadtmauern. Nach und nach wurden kleinere Grundstücke zusammengekauft und der Hof erweitert. Wilhelm Horack I baute zuerst Scheune und Stallungen. Im Jahre 1878 erfolgte der Bau des Wohnhauses. 1883 kam die Remise, der Pferdestall und die Waschküche dazu und irgendwann dazwischen, wurde die vorhandene Scheune noch mit einer Zweiten erweitert. Die Bauunterlagen zur zweiten Scheune sind leider nicht mehr vorhanden. Wilhelm Horack II übernimmt den Hof von seinem Vater, dieser wiederum übergibt an seinen Sohn Karl. 1950 kommt Karl Horack durch einen tragischen Unfall ums Leben. Auf der Heimfahrt vom Felde gehen die Pferde seines Gespannes durch und er wurde von seinem eigenen Wagen überrollt. Nach seinem Tod kommt der landwirtschaftliche Betrieb zum erliegen. Ende der 1960er Jahre wird der Hof verkauft. Neuer Eigentümer ist Walter Diehl. Als dieser sein Anwesen in der Kirchgasse 1 verkauft, wird der unterste Stock des Wohnhauses Bingenheimer Str. 29 zu Verkaufs- und Büroräumen umgebaut. Hier wird das Backwarengeschäft mit Lotto-Annahme welches in der Kirchgasse aufgegeben wurde bis zum Jahre 2003 weitergeführt. Ein Geschäftsraum wird 1978 angebaut und eine Drogerie zieht dort ein. Die Drogerie Hofman führte das Geschäft bis zum Jahre 2012. Der Anbau ist noch vorhanden aber seit 2012 gibt es hier kein Ladengeschäft mehr. Das Haus ist wieder Wohnhaus.
Die auf dem Foto zu sehende am Haus angebrachte "Maije oder Maie" (eine Art Maibaum) ist eine Ehrdarbietung - ähnlich dem Bürgermeisterbaum. Wilhelm Horack war mehrere Jahre Beigeordneter in Reichelsheim. Zu dessen Amtseinführung wurde ihm diese Maije aufgestellt.
Bingenheimer Str. 30
Das Anwesen Bingenheimer Str. 30 wurde mit der Brandkatasternummer 167 geführt
Als der Postverwalter Theodor Zinser in 1885 beim Kreisamt Friedberg sein Gesuch auf Erbauung eines Wohnhauses stellt, liegt ein hervorragend ausgefertigter Situationsplan des Geometers Gröninger bei, auf dem die exakte Lage der auf dem Nachbargrundstück befindlichen Trinkhalle und einer Kegelbahn eingezeichnet sind.
Dem Brandkataster ist zu entnehmen:
Versicherungsbeginn: 1868
Besitzer: Georg Wilhelm Groß
1938 fasste man in der Gemeinde Reichelsheim den Beschluß eine eigene Kinderbetreuungsstätte zu errichten und kaufte dieses Grundstück. Hier baute man ein Gemeindehaus, welches im unteren Stock den Kindergarten und im oberen Stock die Gemeindeverwaltung beherbergte. (siehe dazu: Ortsteil Reichelsheim / Kinderbetreuung)
Am 12. Mai 1944 stürzt ein über Friedberg manövrierunfähig geschossener Bomber in das Gebäude - es wird total zerstört.
1949 beantragt die Gemeinde Reichelsheim den Neubau eines Wohnhauses für 5 Wohneinheiten auf den Grundmauern der zerstörten Kleinkinderschule.
1961 wird das Grundstück geteilt Das benannte Wohnhaus erhält die Adresse Bahnstraße 5 und im vorderen Teil entstand an der Bingenheimer Straße ein kleines einstöckiges modernes Fernmeldegebäude mit Flachdach. 1988/89 wurde dieses Fernmeldegebäude im Rahmen des ISDN-Ausbau durch einen gigantischen Erweiterungsbau aufgestockt.
Bingenheimer Str. 32
Das Haus Bingenheimer Str. 32 bekam die eingeschobene Brandkatasternummer 165 1/10
1886 plante der aus Schotten zum Postverwalter des Kaiserlichen Postamtes nach Reichelsheim i.d.W. bestellte Theodor Zinser gegenüber dem Gasthof zur Post sein Wohnhaus mit dem "neuen" Postamt welches im Jahre 1893 in Betrieb gegangen sein soll. Zinser Verkaufte das Anwesen an den aus Dalherda (Röhn) stammenden Posthalter Johann Richard Baier, welcher das Postamt Reichelsheim bis 1952 leitete und dieses dann 1953 an die Deutsche Bundespost verkaufte. Im Zuge der Postreform Mitte der 1990er Jahre erfolgte in den kommenden Jahren eine Schließungswelle von Postämtern, wobei auch die Reichelsheimer Postfiliale geschlossen und an Privat verkauft wurde.
siehe auch den Artikel: Ortsteil Reichelsheim / Posthalterei
Bingenheimer Str. 33
- Steinmetzbetrieb
- Hessol-Tankstelle Pfaff
- DEA-Tankstelle
- Feuerwehrstützpunkt und Stadtverwaltung
Bingenheimer Str. 34
Das Haus Bingenheimer Str. 34 wurde dem Brandkataster mit Datum 09.10.1911 hinzugefügt und bekam die eingeschobene Nummer 165 2/10
Der Bauantrag wurde im April 1911 gestellt - Bauherr war der Aphotheker Hans Brill. Der Dachdeckermeister Gottlieb Henney aus Büdingen hatte das Haus zur Eheschließung für seine Tochter Emmy Henriette bauen lassen.
Der aus Eschwege stammende Arztsohn Hans Brill übernahm nach der Heirat in Büdingen die bis dahin vakante Stelle der Amtsapotheke in Reichelsheim in 1911.
Nachfolger war ein E. Müller, welcher ab 1937 die Apotheke führte. 1963 erging die Betriebserlaubnis an Margarethe Jakobine Müller und Wilhelm Erwin Müller.
Bingenheimer Str. 35
Überliefert ist der Hausname "Scholtese"
Das Anwesen Bingenheimer Str. 35 wurde dem Brandkataster mit Datum 30.05.1901 hinzugefügt und bekam die eingeschobene Nummer 1 7/10
Der Bauantrag wurde im Dezember 1900 gestellt u. im Februar 1901 genehmigt - Bauherr war der Landwirt Hermann Vogt 2ter.
Im September 1901 wurde der Eintrag im Brandkataster um einen Stall und eine Scheuer erweitert.
Die Einträge sind demnach während oder sogar noch vor der Bauphase erfolgt.
Bingenheimer Str. 40
Das Haus Bingenheimer Str. 40 ist im Brandkataster nicht geführt. Ein Brandkataster liegt in Reichelsheim bis zum Jahre 1911 vor
In 1927 ließ der aus Londorf (Landkreis Gießen) stammende Schullehrer Adam Schäfer sein Haus in der Bingenheimer Str. 40 erbauen.
Adam Schäfer bewohnte bereits die "Lehrerwohnung" im alten Amtshaus und war der erste Bewohner des "neuen" Lehrerhauses in der Dorn-Assenheimer Straße 16
Das zuletzt dort wohnende Familienmitglied war Frau Emma Geiß. Als Untermieterin zu dieser Zeit Frau Trandorf - eine ortsbekannte Schneiderin.
Frau Emma Geiß geb Schäfer war die Tochter des Lehrers Schäfer - sie starb im September 1976 im Alter von 86 Jahren.
Das Haus wurde danach von den Erben verkauft.
Bingenheimer Str. 41
Das Haus Bingenheimer Str. 41 ist im Brandkataster nicht geführt. Ein Brandkataster liegt in Reichelsheim bis zum Jahre 1911 vor
Haus des Landarztes Dr. Ludwig Leun (geb. 1877 in Großen Linden), welcher vor 1908 als praktischer Arzt nach Reichelsheim kam. Er heiratete 1908 in Frankfurt mit gemeldetem Wohnsitz in Reichelsheim.
Im Verzeichnis von 1915 war er in der Bingenheimer Str. 35 wohnhaft, während er zeitgleich sein Haus in unmittelbarer Nachbarschaft - in der Bingenheimer Str 41 errichten ließ.
Zu dieser Zeit war die sogenannte Vorstadt gerade das Neubaugebiet von Reichelsheim.
Nachfolger des Dr. Leun war ein Dr. Kockerbeck und dessen Nachfolger als letzter Arzt in diesem Hause Dr. Ludwig Uhl.
Das Anwesen ist heute privat
Bingenheimer Str. 47
Überliefert ist der Hausname "Humpfe"
Das Haus Bingenheimer Str. 47 ist 1915 fertiggestellt worden. In 1914, zum Zeitpunkt der Bauplanerstellung hatte das Haus noch keine Adresse. Es lautete: Baugesuch des Tierarzt Carl Humpf zur Erbauung eines Wohnhauses mit Stall an der Straße nach Bingenheim. Ein Brandkataster liegt in Reichelsheim vor bis zum Jahre 1911, insofern wurde hier auch keine Brandkatasternummer mehr erteilt.
Der in Eschwege geborene Tierarzt Carl Konrad Humpf heiratete im Januar 1904 die aus Reichelsheim stammende Pauline Schmid und wohnte laut Landesadressbuch von 1906 im Hause Nr. 166, welches die Bingenheimer Str. 26 gewesen sein müßte. Im November 1904 kommt seine Tochter Elsa zur Welt. Laut Landesadressbuch von 1915 war Carl Humpf in der Bingenheimer Str 31 gemeldet, während er sein eigenes Heim in der Bingenheimer Straße 47 bauen ließ. Der Bauplan ist datiert aus dem Jahre 1914.
Als Carl Humpf 1939 stirbt, ist das einzige Kind, die Tochter Elsa bereits in Darmstadt verheiratet und die Mutter Pauline Humpf wohnt alleine im Haus.
Sein Nachfolger wird der Tierarzt Dr. med. vet. Christian Franz Ernst Knoche. Frau Humpf wohnte weiterhin im oberen Stock während die Familie Knoche das Untergeschoß mietete. Irgendwann bezog die Zahnarztfamilie Neuroth das Obergeschoß, die vorher eine Wohnung im Lehrerwohnhaus hatte. Später kauft die Familie Knoche das Haus des Philipp Ross und zieht in die Bahnstraße und das Humpfe-Haus wird irgendwann verkauft. Vom Hörensagen weiß ich, daß der Emil Schneider daß Haus ca 1959 gekauft haben soll. Ich selbst kann mich nur daran erinnern, daß der Wolfgang Schneider (Sohn von Emil Schneider) mit seiner Frau dort wohnte. Nach seinem Tot im Dezember 1994 wurde das Haus zwei Jahre später an die Familie Hühnlein verkauft, die in 2012 an die Familie Engelbach verkauften.
Pauline Humpf verstarb am 04.07.1971 und wurde 94 Jahre alt. Das Familiengrab der Familie Humpf wurde erst im April 2016 abgeräumt und wurde bis dahin noch gepflegt.
Bingenheimer Str. 57 - 59
Die alte Reichelsheimer Mühle führt seit Einführung des Brandkatasters die Nummer 1
Diese Mühle war etwas Abseits vom eigentlichen Ort Reichelsheim gelegen. Das änderte sich erst, als Mitte des 19ten Jahrhunderts die Bebauung der sogenannten Vorstadt begann. Es gibt Vermutungen, daß der Ort zur einer sehr viel früheren Zeit neu geplant und weiter nördlich vom ursprünglichen Ansiedlungsgebiet neu aufgebaut wurde. Die Vermutung wird von dem überlieferten Gewann-Namen "Im alten Dorf" gestützt, welches sich zwischen der Mühle und dem durch Stadtmauern befestigten Ort befindet. Die Mühle war wegen ihrer Eigenschaft als Mühle an diesen Ort gebunden. Das Mühlrad benötigte für einen ordentlichen Betrieb einen geeichten Wasserstand. Dazu wurden Eichpfähle aufgestellt und Wasserwehre - die sogenannte Wasserstube errichtet sowie je ein Graben für das an der Mühle vorbeifließende und das sogenannte Hinterwasser angelegt.
Seit 1824 war die Reichelsheimer Mühle in den Händen der Familie Bopp.
Zur Mühle selbst --> siehe auch: Ortsteil Reichelsheim / Mühle
Fachwerkstraße
Fachwerkstraße 1
Fachwerkstraße 2
Fachwerkstraße 3
Fachwerkstraße 4
Fachwerkstraße 5 und 6
Das Anwesen heutige Fachwerkstraße 5 und 6 wurde im Jahre 1808 als ein Objekt mit der lfd. Nummer 145 im erstmalig aufgestellten Brandkataster von Reichelsheim erfasst. In 1848, nach dem Tode des Hausherren Johann Heinrich Mühlig wurde das Grundstück unter den Erben geteilt. Die beiden Enkeltöchter blieben auf dem Grundstück wohnen. Die älteste der beiden war zu dieser Zeit mit einem Johannes Heinrich aus Eckartshausen verheiratet und baute mit ihm auf dem vorderen Teil des Grundstücks ein separates Wohnhaus, welches mit Datum 1851 in das Brandkataster eingetragen wurde und die lfde. Nr. 169 erhielt. Das bedeutet, daß zu dieser Zeit, mit Fertigstellung dieses Wohnhauses in Reichelsheim 169 von der Brandkasse erfasste Anwesen bzw. Gebäudekomplexe existierten.
Als die jüngere der beiden genannten Schwestern den Schlosser Christian Wilhelm Waas heiratete und dieser neben dem Haus Nr. 6 eine Schlosserwerkstatt anbaute lebten auf diesem Grundstück 2 Familien in getrennten Wohnhäusern, die aber die Wirtschaftsgebäude und den Garten gemeinsam nutzten.
Nach dem Krieg 1866 wurde das Brandkataster neu aufgestellt und die Anwesen neu durchnummeriert:
Das Haus der späteren Sackgasse 5 hatte nun die Brandkatasternummer 157 und das Anwesen spätere Sackgasse 6 die Brandkatasternummer 158.
1887 erwarb der Schwiegersohn des Chr. Wilh. Waas - der Schlosser Hermann Sprengel - von den Erben des verstorbenen Ziegelbrenners Georg Wilhelm Schutt das Anwesen in der heutigen Bingenheimer Str. 25 und der Schwiegersohn der Familie Heinrich vereinte die beiden Adressen ehemals Sackgasse, heute Fachwerkstraße 5 und 6 wieder zu einem Grundstück. Und so ist es noch heute (Stand 2023).
Die Scheune dieses Anwesens reichte seinerzeit fast bis an das benachbarte Grundstück heran. Nur ein schmaler Durchgang existierte - ähnlich einer Oarn.
Im ältesten von Reichelsheim existierenden Katasterplan aus der Zeit um 1906 ist das auch noch so eingezeichnet und die seinerzeitige Sackgasse endete am damaligen Hoftor des Anwesens heutige Fachwerkstraße 5 und 6.
In späteren Jahren wurde offensichtlich - aus welchen Gründen auch immer - ein Teil des Grundstücks an die Stadt verkauft. Diese hat in Verlängerung der ehemaligen Sackgasse eine Verbindung zur Oberen Haingasse hergestellt und in diesem Zusammenhang wurde auch die Scheune etwas zurückgebaut.
Florstädter Straße
Florstädter Str. 1
Auf dem Anwesen der Florstädter Straße 1 wurde eine gewisse Zeit lang gewerblich Zigarren gerollt. In diesem Zusammenhang bezeichnet man diese Adresse auch mit "Die alte Tabakfabrik".
Florstädter Str. 2 und 4
Wer in der Florstädter Straße die Hausnummern 2 und 4 sucht wird sich wundern. Die erste vergebene Hausnummer ist auf der rechten Seite die 1 und auf der linken Seite kommt gleich die 6. Da fehlt doch was - wird man sich fragen. Des Rätsels Lösung ist rasch geklärt:
Die Kirche in Reichelsheim wurde um das Jahr 1485 errichtet, so suggeriert es zumindest die, in einem Sandstein an der nördlichen Sakristeimauer eingeschlagene Zahl MCCCLXXXV. Es gibt keine Urkunde, keinen Bauplan. Wir wissen nichts über die tatsächliche Bauzeit, die Dauer der einzelnen Bauabschnitte bis zur endgültigen Fertigstellung und auch nichts über ihr ursprüngliches Aussehen. Wie oft wurde die Kirche umgebaut oder etwas angebaut? Was ist überliefert?
Verschiedene Kirchengeschichtler haben sich bereits in früheren Jahren mit den Kirchenbauwerken unserer Region auseinandergesetzt und ihre Erkenntnisse niedergeschrieben. So können wir uns auf deren Recherchen stützen und etwas über unsere Kirche erfahren.
z.B. Stephan Alexander Würdtwein (1719 - 1796). Seine historische Sammel-, Forschungs- und Schriftstellerarbeit galt als bahnbrechend für die kirchen- und landesgeschichtliche Quellenforschung oder Georg Wilhelm Diehl (1871 - 1944), in seinen Büchern sind die genauen Personalien aller in Hessen-Darmstadt und den ehemals hessischen Orten tätig gewesenen Geistlichen und Lehrer verzeichnet, ebenso die - soweit recherchierbare - Baugeschichte und die Rechtsverhältnisse der Kirchen und Pfarrhäuser.
Nun hatte man sich seinerzeit keinerlei Gedanken über Adresse und Anschrift gemacht - wohl aber waren die Besitzverhältnisse klar zu differenzieren und damit auch die Aufwender der Instandhaltungskosten festgelegt. Das Kirchenschiff, der Chorraum und die Sakristei mit allem Inventar und auch der Kirchenhof gehörte der Kirche - der Glockenturm, welcher gleichermaßen ein Wachturm ist, den Herren zu Reichelsheim. Auch war der Dachboden Eigentum der Obrigkeit und diente z.B. als Kornspeicher. Als sogenannte Wehrkirche war unsere Kirche in früheren Jahren mit einer hohen Mauer und einigen Türmchen rund um den Kirchhof befestigt gewesen. Als Reichelsheim zur Stadt erhoben wurde ist anzunehmen, daß die Rechte und Pflichten vom jeweiligen Landesherren an die nun freien Bürger übergegangen sind. Mit der Einführung des Brandkatasters in 1806 erhielt das Kirchengebäude eine eigene Nummer und der Glockenturm auch eine eigene Nummer, denn: Alle einem Besitzer zustehenden Hauptgebäude eines Ortes waren fortlaufend zu nummerieren und alle zu einem Hauptgebäude gehörenden, und demselben Besitzer zustehenden Nebengebäude mit einem Buchstaben zu notieren. So erhielt die "Pfarrey" und "Die Gemeinde" jeweils eine eigene Nummer für den zu ihrem Besitz gehörenden Gebäudeteil. Auch die seinerzeit auf dem Kirchhof stehenden beiden Schulgebäude bekamen jeweils eine eigene Nummer und waren der Gemeinde zugeschrieben. Als Anfang 1900 die Straßennamen und Hausnummern neu zugeordnet wurden, erhielt das Kirchengebäude die Hausnummer 2 und der Glockenturm die Hausnummer 4. Die Schulhäuschen gab es zu dieser Zeit nicht mehr.
Florstädter Str.6
Das Haus Florstädter Str. 6 hatte seinerzeit die Hausnummer 54 (=Brandkatasternummer) und war Sitz der ersten "Amtsapotheke" im damaligen Amt Reichelsheim
Es wird vermutet, daß dieses Anwesen im Jahre 1834 von dem Apotheker Ernst Hämmerlein gebaut wurde, denn von 1833 liegt ein Gesuch des Kandidaten der Pharmazie Ernst Hämmerlein zu Wehen um Anstellung und Einrichtung einer Apotheke zu Reichelsheim vor. Im Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau von 1834 ist nachzulesen, daß seine Herzogliche Durchlaucht den Pharmacist Hämmerlein zum Amtsapotheker in Reichelsheim zu ernennen geruhte. Hämmerlein heiratete im Juni 1834 seine aus Steinfischbach stammende Frau in der Kirche zu Reichelsheim.
1866 liegt eine Urkunde zum Verkauf der Apotheke zu Reichelsheim an die Apotheker Hermann Otto zu Rüdesheim und Langheinz Christian zu Lorch vor.
Tochter des Langheinz heiratete 1892 in Reichelsheim den Apotheker Valentin Hardt aus Jesberg. Letzter Apotheker im alten Haus war Karl Gustav Hempel - gebürtiger Gießener - aus Griesheim bei Darmstadt. Dieser heiratete 1901 in Reichelsheim seine Frau Justina, die bereits 3 Jahre später mit 21 Jahren im Kindsbett verstarb. Die Stelle der Amtsapotheke Reichelsheim war wohl seitdem vakant.
1911 wird das Haus von Apotheker Hans Brill übernommen, welcher im gleichen Jahr die "neue" Apotheke in der Bingenheimer Str.34 zu bauen beginnt.
Letzter Eigentümer des Hauses Florstädter Str. 6 war der Sattler Wilhelm Gerlach, der dort bis zu seinem Ruhestand eine Sattlerwerkstatt unterhielt. Das Haus wurde von dessen Nachkommen verkauft.
Florstädter Str.8
Das Haus Florstädter Str. 8 hatte die Brandkatasternummer 55.
Laut Albert Nohl hatte das Haus den Beinamen Borjemasters Karl
Karl Schmid der zweite war von 1906 bis zu seinem Tode Bürgermeister. Als letzter Amtsinhaber der Familie Schmid (mit zweimaliger Unterbrechung), nach Schmid Johannes, Schmid Wilhelm und zuletzt Schmid Karl I. beendete er diese über lange Jahre ehrenamtlich verpflichtende Tätigkeit.
Der traufseitige Bau wurde im Jahre 1873 von Gustav Wilhelm Schmid erbaut. Die ursprüngliche Bauzeit des Wohnhauses ist nicht bekannt.
Florstädter Str.11
Das Haus Florstädter Str. 11 hatte die Brandkatasternummer 95.
In der heutigen Florstädter Str. 11 stand das Haus des Hans Geis - dem Reichelsheimer Hexenmeister.
Errichtet wurde es im Jahr 1654. 300 Jahre später - im Jahre 1954, wurde es von dem seinerzeitigen Eigentümer - dem Schuhmachermeister Karl Gerlach abgetragen und umgebaut.
Der Balken mit der Inschrift << 1654 HANS GEIS ERBAVT VND ZIMERT DIESES SELBER ANNO ACH GOTT SEI DIES JAHR MEIN HELFFER >> lag erst noch einige Jahre ungeachtet herum und sollte ursprünglich zur Dekoration in einem Partykeller dienen. Glücklicherweise kam ein Bekannter der Familie auf die Idee das gute Stück dem Wetteraumuseum in Friedberg zu vermachen, wo er heute noch zu sehen ist.
Der auf den Fotos zu erkennende "Schaukasten" an der Hauswand wurde 1924 vor eines der Fenster montiert und hatte unter anderem die Funktion, daß man dort dem Schuster Gerlach seine reparaturbedürftige Schuhe hinterlegen konnte.
Der Heimatschriftsteller Karl Becker schrieb 1925 in seiner Erzählung "Der Reichelsheimer Hexenmeister" über die Zeit der Hexenverfolgung im 17. Jahrhundert und setzte als Hauptperson den Zimmermannsgesellen Hans Geis ein. Eine fiktive Liebesgeschichte mit historisch überliefertem Hintergrund.
Heute wissen wir, daß der Name Hans Geis seinerzeit niemals in den Akten zu den Reichelsheimer Hexenprozessen aufgetaucht ist.
Wir wissen aber sehr wohl, daß zu dieser Zeit ein Hans Geis in Reichelsheim gelebt hat. Im Copulationsbuch (Hochzeiten) findet man mit Datum 30.10.1649 den Eintrag: Hans Geiß (mit ß), Zimmermann und Ottilia Steffan aus Florstadt. Aus dieser Ehe sind in Reichelsheim zw. 1655 und 1668 acht Kinder verzeichnet. Anfang 1668 - als das letzte Kind dieser Familie das Licht der Welt erblickte - kam es zu den Hexenprozessen in Reichelsheim.
Ob man glauben kann, daß es sich nun hierbei um den gleichen Hans Geis handeln könnte, das bleibt ihrer Fantasie überlassen.
- Publikationen zum Hexenmeister von Reichelsheim siehe hier
- Link zum Hexenmeister-Artikel bei AlexanderHitz.de (wo auch die Geschichte des Hans Geis nachzulesen ist)
Florstädter Str.13
Das Haus Florstädter Str. 13 hatte die Brandkatasternummer 94.
Laut Albert Nohl hatte das Haus den Beinamen "Richtersch Wolfe"
Der Hausherr Wilhelm Wolf verstarb am 30.10.1912.
Zum Zeitpunkt der Aufnahme (etwa 1913) lebte dort die Witwe des Hausherren - Elisabeth Wolf - mit ihren beiden Söhnen Otto und Rudolf.
Otto, welcher später das Anwesen übernahm erhielt den Beinamen "Range-Wolf", während sein Bruder Rudolf in die Neugasse einheiratete und dadurch den Namen "Bachwolf" bekam.
Florstädter Str.14
Das Haus Florstädter Str. 14 hatte die Brandkatasternummer 59.
Laut Albert Nohl hatte das Haus den Beinamen "Deckesbäcker"
Zur Zeit der linken Aufnahme lebte dort der Bäcker Wilhelm Richter mit Frau Marie geb. Nohl und den Kindern Albert und Frieda. In diesem Haus wurde der Beruf des Bäckers viele Generationen Richter vom Vater zum Sohn weitergegeben. Wilhelms Ur-Ur-Ur-Großvater Johann Balthasar Richter (1706-1797) ist bereits als Ackersmann und Bäcker im Kirchenbuch verzeichnet. Mit dem Tod von Albert Richter, welcher 21-jährig in den letzten Kriegstagen 1918 fiel, ist die Familie ohne männlichen Nachkommen sozusagen ausgestorben. Tochter Frieda heiratete 1917 den aus Nauheim bei Groß-Gerau stammenden Bäcker- und Konditormeister Adam Diehl, welcher in Reichelsheim seßhaft wurde und die Backtradition der Familie Richter fortsetzte. 1922 wird von Adam Diehl insbesondere die Backstube umgebaut, das Haus renoviert und im aufgestockten Seitengebäude entsteht zur Straße hin ein Verkaufsraum mit Schaufenster.
1927 erwarben Adam und Frieda Diehl in der Kirchgasse 1 ein eigenes Anwesen und errichteten dort einen Neubau mit einer großen Backstube, einem modernen Dampfbackofen und einem Café im Obergeschoss. Wilhelm Richter (1865-1949), der letzte "Deckesbäcker", lebte weiterhin in seinem Elternhaus in der Dorn-Assenheimer Straße 14.
Bis zum Verkauf und anschließendem Abriss in den 1970er Jahren wurde das Haus von mehreren Personen - vornehmlich ehemalige Heimatvertriebene - bewohnt.
Heute steht an dieser Stelle ein 3-Stöckiges Mehrfamilienhaus.
Florstädter Str.16
Das ursprüngliche an dieser Stelle stehende Amtsanwesen hatte die Brandkatasternummer 78.
Das heute in der Florstädter Str.16 stehende Gebäude wurde 1912 als Lehrerhaus von der Stadt Reichelsheim gebaut. An dieser Stelle stand bis dahin das aus dem 15. Jahrhundert stammende Amtshaus mit der in 1810 neu errichteten Amtsscheune aus nassauischer Zeit. Das alte Amthaus, in dem der Überlieferung nach auch die fürchterlichen Hexenprozesse abgehalten wurden, war Sitz des Amtmannes - der vom obersten Landesherrn eingesetzte Verwalter und Ausübender der rechtsprechenden Instanz. 1870 ging der Besitz auf die Gemeinde Reichelsheim über, die dort den Schullehrern Wohnraum zur Verfügung stellten. Hier wohnten z.B. die Schullehrer Adam Schäfer und Karl Lepper mit Familien. Diese Gebäude hatte man um 1910/11 abgerissen und an dessen Stelle den Neubau des gemeindeeigenen Lehrerhauses mit großzügigem Schulgarten vorgesehen.
1952 wurde wegen Mangel an Schulräumen im Erdgeschoss des linken Flügels dieses Lehrerhauses ein Klassenraum eingerichtet.
1956, mit der Einweihung der "neuen" Schule, welche in unmittelbarer Nachbarschaft des Lehrerhauses im ehemaligen Schulgarten erbaut wurde, hatte diese Raumnot dann endlich ein Ende. Seit einigen Jahren ist das Anwesen des ehemaligen Lehrerhauses in Privatbesitz.
Der Eingang zu diesem Gebäude liegt zwar auf der Seite der Neugasse, die Postadresse lautet aber Florstädter Straße 16.
Historisch gesehen lag der Eingang des alten Amtshauses auf der damaligen Dorn-Assenheimer Straße. Die postalische Adresse wurde nach dem Bau des Lehrerhauses beibehalten.
Florstädter Str.17
Das Anwesen hatte die Brandkatasternummer 92.
Über das Baujahr des Hauses gibt es keine Unterlagen. Der eingetragene Besitzer in 1900 heißt Wilhelm Hermann Vogt. Das Anwesen kommt laut Brandkataster in 1904 in den Besitz der Familie Coburger. Hausherr ist Adolph Coburger
Der Hausname des Anwesens ist "Bachschneider"
Florstädter Str.18
Das neue Schulgebäude nach der Einweihung 1956
Artikel zur Einweihung der "neuen" Schule vom Oktober 1956 findet man hier
--> Ortsteil Reichelsheim / Schulwesen / Einweihung der neuen Schule, Oktober 1956
Florstädter Str.21
Das Anwesen hatte die Brandkatasternummer 79.
Der Hausname des Anwesens war "Koarmannsschuster"
Über das Baujahr des Hauses gibt es keine Unterlagen. Zu Nassauer Zeiten war das Gebäude laut Brandkataster in Staatsbesitz. Es war dort als "Hirtenhaus am Unterthor" beschrieben. Nach dem verlorenen Krieg der Nassauer wurde das nun hessische Anwesen an Privat verkauft. Der erste eingetragene Besitzer in 1868 hieß Friedrich Seel. Das Anwesen kommt laut Brandkataster in 1874 in den Besitz der Familie Kornmann, welche über 3 Generationen Eigentümer bleibt. Durch den aus Feldkrücken im Vogelsbergkreis eingeheirateten Heinrich Kaiser änderte sich der Familienname - der Hausname Koarmannsschuster geriet in Vergessenheit.
Kaisers verkauften das Anwesen Ende der 1950er Jahre an Lina Meiß die dort bis zu ihrem Lebensende wohnte. Nach deren Tod wurde das Anwesen verkauft und niedergelegt.
Seither befindet sich an dieser Stelle ein Rasenfläche.
Florstädter Str.25
Haingasse
Die Haingasse hat ihren Namen vermutlich durch die alte Gemarkungsbezeichnung erhalten, die z.B. durch diese Karte hier überliefert ist --> Ausschnitt eines Geometrischen Plans aus dem Jahre 1761 (nach Westen ausgerichtet)
Ein Hain ist aus der Wortdeutung her eine Erhebung, eine Anhöhe oder ein Gehölz - damit ist ein kleines Wäldchen genauso erfasst wie ein undurchdringbares Gestrüpp und auch genauso eine Streuobstwiese. Aus alten Karten wissen wir, daß der Süden, der Westen und auch der Norden Reichelsheims von großen Streuobstwiesen umgeben war (so wie bei der Karte von 1761 auch). Bei der Kartierung der Obstbäume zur Flurbereinigung von 1898 zählte man hier mehr als zehntausend Bäume.
Parallel zur Haingasse verläuft der Haingrabenweg, welcher den ehemals dort verlaufenden Teil des Reichelsheim umschließenden Wassergrabens kennzeichnet. --> siehe hier
Untere Haingasse
Die Untere Haingasse beginnt an der Florstädter Straße gegenüber der 1956 eingeweihten Schule und endet am einzigen noch erhaltenen Stadttor - dem heutigen Friedhofstor. Am Scheidepunkt zur Kirchgasse stößt sie auf die Obere Haingasse, welche gegenüber der Turmgasse an der Bingenheimer Straße beginnt und am alten Stadttor endet. Übrigens beginnen alle Nebenstraßen im "alten" Teil von Reichelsheim mit der Zählung der Hausnummern von der Hauptstraße aus.
Untere Haingasse 14
Das Haus Untere Haingasse 14 hatte die Brandkatasternummer 96.
Der Hausname des Anwesens ist "Lorentze"
Über das Baujahr des Hauses gibt es keine Unterlagen. Der eingetragene Besitzer in 1869 heißt Johann Lorentz Coburger.
Johann Henrich Coburger hatte den Hof von seinem Vater Johann Lorentz Coburger geerbt, von dem sich höchstwahrscheinlich der Hausname Lorentze ableitet.
1870 heiratete der Landwirt und Schreiner Gustav Stier I. die einzige Tochter des bereits im Jahr 1854 verstorbenen Johann Henrich Coburger und dessen Frau Catharina geb Stier. (sehr verwirrendes Namensspiel: Catharina Coburger, die Tochter Von Catharina Coburger geb Stier ist nun eine verheiratete Stier)
Laut Brandkataster kommt das Anwesen 1872 in den gemeinsamen Besitz von Stier Gustav und Frau Catharina Coburger.
Das abgebildete Foto zeigt dieses Wohnhaus um das Jahr 1911.
Im Fenster links Lina Stier geb Nohl (Schwiegertochter zu Gustav Stier I.), Marie Geier spätere verheiratete Pfeffer (Nachbarschaft) und Emilie Nohl (Nichte zu Lina - später nach Bönstadt geheiratet).
Im rechten Fenster Marie Stier (Enkelin zu Gustav Stier I.) spätere verheiratete Bopp und Gustav Stier I.
Obere Haingasse
Die Obere Haingasse beginnt an der Bingenheimer Straße schräg gegenüber der Turmgasse und endet am einzigen noch erhaltenen Stadttor - dem heutigen Friedhofstor. Am Scheitelpunkt zur Kirchgasse stößt sie auf die Untere Haingasse, die dort endet.
Obere Haingasse 3
Das Haus Obere Haingasse 3 hatte die Brandkatasternummer 145.
Die Gemeinde Reichelsheim war viele Jahre Eigentümer des Grundstückes und im Brandkataster ist unter Besitzer "Die Viehbesitzer" eingetragen. Auf einem Situationsplan von 1852 Abt XXVI Abschn 3 Konv 1 Fasz 15 ist dort eine "Gemeindescheuer" und "Gemeindestall" eingezeichnet.
1882 liegt ein Bauantrag des Buchbinders Ernst Pfeifer vor, welcher das auf dem Grundstück bestehende 2 stöckige Wohnhaus durch einen 1 stöckigen Neubau - jedoch größerer Grundfläche und Geschäftsräumen (Werkstatt und Schauladen) ersetzt hatte (siehe Bau-Archiv Stadt Rhm). Den Plänen nach gab es Schaufenster und einen straßenseitigen Eingang zum Schauladen. Dem Antrag ist ein Schreiben des Feuervisitators beigefügt, welcher im Mai 1883 die vorschriftsmäßige Ausführung des neu gebauten Wohnhauses bestätigt. Im gleichen Jahr erfolgt der Besitzerübertrag in das Brandkataster.
Das abgebildete Foto zeigt dieses Wohnhaus um das Jahr 1910. Zu dieser Zeit ist der Schuster Marbach Eigentümer des Anwesens und dieser hat - wie man erkennen kann die Schaufenster und den Zugang zum Laden schon wieder baulich verändert. Die nachfolgenden Generationen Opificius und Schäfer, betrieben maßgeblich Landwirtschaft und bauten das Anwesen entsprechend aus. Wie bei vielen anderen Anwesen auch, standen in den 1990er Jahren aufgrund aufgegebener landwirtschaftlicher Betriebe viele Gebäudeteile leer. Das Anwesen wurde verkauft. Seit einiger Zeit wird dort nun schon fleißig gebaut und ungenutzte Bausubstanz zu Wohnraum umgewandelt (Stand 2018).
Obere Haingasse 7
Das Haus Obere Haingasse 7 hatte die Brandkatasternummer 159.
Beschreibung siehe --> Artikel der Rubrik "Damals" / Haus Gondolf in der Haingasse
Obere Haingasse 23
Das Haus Obere Haingasse 23 hatte die Brandkatasternummer 136.
Das Baujahr des Wohnhauses ließ sich bislang noch nicht feststellen. Zumindest existierte das Haus schon, als in 1808 alle Gebäude von der Brandversicherungskasse erfasst wurden.
Das abgebildete Foto zeigt dieses Wohnhaus etwa um 1910 - 1912. Zu dieser Zeit ist Eigentümer des Anwesens die Familie Josef Capretti.
Guiseppe Capretti kam als junger Mann im Zusammenhang mit dem Horloffausbau um 1900 als Gastarbeiter nach Reichelsheim - fand hier seine Frau für’s Leben und wurde hier sesshaft. Im Frühjahr 1906 kaufte die junge Familie das kleine Haus in der heutigen Oberen Haingasse 23 von dem Gärtner Georg Friedrich Sprengel und gründete dort die Bäckerei "Josef Capretti".
Seither wurde dort gebacken und die Bäckerei sowie das Anwesen wurden stetig erweitert. In 2021 wurde das Anwesen von den Erben verkauft.
Interessant auch, die wahrscheinlich mit Petroleum betriebene Laterne am Haus. Reichelsheim war zu dieser Zeit noch stromlos und es gab dementsprechend kein elektrisches Licht.
Kirchgasse
Kirchgasse 1
Die Kirchgasse 1 hatte die Brandkatasternummer 121.
Der letzte Hausname war "Café Diehl" oder "Café Vaterland"
Laut Brandkataster gehörte das Anwesen Mitte des 19. Jahrhundert dem Bäckermeister Johannes Wolf. Dieser übergab es seinem Sohn Wilhelm, welcher mit seiner Frau Catharina keine Nachkommen hatte. Als letztere 1924 starb, kaufte Adam Diehl das Grundstück.
Der aus Nauheim bei Groß Gerau stammende Konditormeister Adam Diehl heiratete 1917 in den seit mehreren Generationen bestehenden Bäckereibetrieb des Wilhelm Richter in der Florstädter Straße ein und übernahm dort die Backgeschäfte mit seiner Frau Frieda. Durch den Ankauf des Anwesens Wolf in der Kirchgasse konnte der Konditormeister seinen Traum vom eigenen Café verwirklichen. 1927 entstand im hinteren Teil des Hofes der Kirchgasse 1 ein Neubau. Im Erdgeschoß eine moderne "Dampfbäckerei" - und im Obergeschoß war Platz für ein geräumiges Café. Das Haus Wolf, welches an der Kirchgasse gelegen war, hatte man kurze Zeit später abgetragen. Durch einen Erweiterungsbau im Jahre 1933/34 wurde das nun umbenannte "Café Vaterland" mit einem Lebensmittelladen, einer Gaststätte und einem großräumigen Saal- und Bühnenbau ergänzt. 1955 hatte man im Zuge von Renovierungsarbeiten den Saal durch eine Empore aufgewertet, die weiteren 120 Besuchern Platz bieten sollte. 1960 feierte - zwischenzeitlich von Walther Diehl übernommen - die Bäckerei das 100-jährige Betriebsjubiläum in Reichelsheim. Adam Diehl verstarb 1963.
1969/70 baute die Stadt Rhm die Mehrzweckhalle, welche im September 1970 feierlich eingeweiht wurde - die Saalbauten wurden nun nicht mehr gebraucht und standen leer. Mit einem modernen EDEKA-Selbstbedienungsladen und einer neue eingerichteten Bäckerei begegnete man dem Trend der Zeit und mit Helmut Diehl, welcher in der Zwischenzeit die Meisterprüfung im Bäckerhandwerk abgelegt hatte, wurde das Geschäft "neu eröffnet". Der "alte" Laden wurde zur Gastwirtschaft - der ehemalige Gastraum des Cafés zum Laden. 1974 verließ H. Diehl Reichelsheim, um expandieren zu können. Walther und Edith Diehl führten das Geschäft weiter - der Backwarenverkauf wurde als Filiale aufrecht erhalten. 1978 wurde das Anwesen aufgegeben und verkauft.
- weitere Bilddateien zum Café Diehl
Kirchgasse 3
Das Haus Kirchgasse 3 hatte die Brandkatasternummer 120.
Das Baujahr des Gebäudes lässt sich z.Z. nicht feststellen.
Bis in das Jahr 2017 wohnte hier in 3. Generation die Familie Vogt. In einem der Nebengebäude ist ein Sandstein mit dem Namen Schmid verbaut. Auch die Familie Schmid lebte hier seit einigen Generationen.
Kirchgasse 4
Das Haus Kirchgasse 4 hatte die Brandkatasternummer 112.
Das Baujahr des Gebäudes lässt sich z.Z. nicht feststellen. Heute (2018) gehört das Anwesen der Familie Kardas, welche es von der Familie Bender übernommen hatte. Frau Bender war eine geborene Kessel, ihr Vater war der Steinbruchbesitzer "Am Ast" (am Bingenheimer Kreuz) Herr Kessel heiratete dort in die Familie des Georg Ph. Thum, welcher das Anwesen von der Familie Gros erworben hatte. Georg Ph. Thum war zuvor Eigentümer der Dorn Assenheimer Str. 15 - Ein Gehöft, welches mittlerweile abgerissen ist.
Karl Wilhelm Gros war in das Anwesen Kirchgasse 4 hineingeheiratet - vorher war der Familienname Vogt und davor Maley.
Mit dieser Information endet die Besitzerhistorie des Gebäudes.
Kirchgasse 5
Das Haus Kirchgasse 5 hatte die Brandkatasternummer 119.
Das Baujahr des Gebäudes lässt sich z.Z. nicht feststellen. Zur Zeit der Aufnahme gehörte das Anwesen der Familie Steten.
Kirchgasse 11
Das Haus Kirchgasse 11 hatte die Brandkatasternummer 116.
Das Baujahr des Gebäudes lässt sich z.Z. nicht feststellen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme gehörte das Anwesen der Familie des Schustermeister Gustav Gerlach.
Kirchgasse 13
Das Haus Kirchgasse 13 hatte die Brandkatasternummer 115.
Der Hausname, den wir Reichelsheimer kennen ist “Hanne“. Der Erzählung nach stammt dieser Name aus der Zeit, wo eine Johanna Barbara (Hanne) Stephan um 1820 bis etwa 1860 einen kleinen Krämerladen hatte - einen Raum nicht größer als eine Speisekammer - aber sie verkaufte Dinge, die nicht jeder hatte, die man fast täglich in der Küche brauchte und sonst nur in einem Kolonialwarengeschäft bekam. (Essig, Öle und Gewürze). Da die Häuser seinerzeit außer der Brandkatasternummer keine Adresse hatten, sagte man eben: „Ich geh mal zur Hanne und hol Essig“, dann wusste jeder wer und welches Haus gemeint war.
Das Baujahr des Gebäudes lässt sich z.Z. nicht feststellen. Im Brandkataster, welches im Jahre 1808 aufgestellt ist das Anwesen mit der Nummer 115 geführt. Diese Nummer musste, wie heute die Hausnummer, am Gebäude gut sichtbar angebracht werden.
Zum Zeitpunkt der Aufnahme gehörte das Anwesen der Familie Adolf Stephan, sowie es schon einigen Generationen davor der Familie Stephan gehörte. Der Berufsstand hatte sich in dem Haus nicht weitervererbt. Adolf Stepahn war bei der Post, sein Vater war Schreiner, sein Großvater Metzger und dessen Vater Schuhmacher. Und nebenher war jeder in seinem Berufstand zusätzlich auch Landwirt – zumindest die älteren Generationen.
Auf den ältesten Fotos ist der Hofraum durch ein in Sandsteinpfosten gefasstes mannshohes Holztor und einem Bretterzaun abgeschlossen. Einige Jahre später wurde der hölzerne Zaun durch eine massive Steinmauer ersetzt. In den 1950er Jahren ist der Hofeingangsbereich mit einem Torhaus überbaut und Ende der 1970er Jahre wurde das Torhaus komplett in das Wohnhaus zu Wohnraum integriert. Dieser Umstand hat dazu geführt, daß das Haus nach wie vor die Adresse Kirchgasse 13 hat und der Hauszugang heute auf der Seite der Haingasse liegt.
Neugasse
Neugasse
Aufnahme 1930er Jahre
Auf dem Grundstück des ehemaligen Amtshauses an der Dorn-Assenheimer Straße entstand 1912 zusammen mit dem Neubau des dortigen "Lehrerhauses" das erste Spritzenhaus für die Reichelsheimer Feuerwehr.
Der Zugang zu diesem Gebäude liegt zwar in der Neugasse, baurechtlich gehörte das Gebäude jedoch zum Grundstück der heutigen Florstädter Straße 16, weil es eben auf der gleichen Parzelle erbaut wurde, auf der auch das Lehrerhaus steht.
Zwischenzeitig wurde durch Teilung der Parzelle dem alten Spritzenhaus eine eigene Parzellennummer zugewiesen 176/4 - das Gebäude hat aber keine eigene Hausnummer erhalten und ist somit "Neugasse ohne Nummer"
Übrigens hat das Lehrerhaus seinen Zugang auch auf der Seite der Neugasse. Historisch gesehen lag der Eingang des alten Amtshauses auf der damaligen Dorn-Assenheimer Straße (heute Florstädter Straße 16). Die postalische Adresse hat sich nach dem Bau des Lehrerhauses nicht geändert.
Neugasse 1
Aufnahme ca 1910
Das Haus Neugasse 1 hatte die Brandkatasternummer 77.
Der Hausname, den wir kennen ist Stephebäcker.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte dort der Bäcker Georg Stephan gelebt. 1857 heiratete dessen Tochter den Ackersmann Karl Friedrich Maley, welcher den Hof übernimmt. Der Backbetrieb wird eingestellt. 1860 kauft der Bäcker Georg Wilhelm Richter den Backofen und baut ihn in seiner Hofreite Dorn-Assenheimer Straße 14 wieder auf.
1865 kommt der 58 jährige Bäcker Stephan durch einen Treppensturz ums Leben. Seither lebten dort noch drei Generationen Maley. Die letzte Familie mit dem Namen Maley blieb Kinderlos. Der Name Maley, welcher in Reichelsheim bis zu den ersten Eintragungen der Reichelsheimer Kirchenbücher im 16. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann stirbt aus. Das Anwesen wurde verkauft - der Hausname Stephanbäcker (Stephebäcker) ist geblieben.
Das Baujahr des Gebäudes lässt sich z.Z. nicht feststellen. Zur Zeit dieser Aufnahme war das Anwesen im Besitz der Familie Karl Maley.
Die Personen auf dem Foto:
links im Fenster Pauline Maley geb. Ulrich (1878-1960), im rechten Fenster Karl Maley (1865-1952) und Adolf Maley (1898-1983)
Das junge Mädchen am Hoftor ist (z.Z. nicht) nicht bekannt
Neugasse 4
Aufnahme
Das Anwesen Neugasse 4 hatte die Brandkatasternummer 61.
letzer Hausname war "Hesse Karls"
Im Brandkataster von 1844 ist erwähnt, daß hier ein Brenn- und Brauhaus versichert war.
Eigentümer war seinerzeit der Küfer und Gastwirt Georg Stier
Auch dessen Sohn und nachfolgender Besitzer des Anwesens - Reinhard Stier - war Gastwirt.
In 3. Generation hatte sich Karl Stier zu dem Beruf Färber entschieden. Gem Albert Nohl betrieb dessen Frau noch lange nach seinem Tot einen "Schnapsausschank"
Schwiegerson - Karl Hess - von Beruf Schlosser, vermachte dem Anwesen den letzten uns bekannten Hausnamen.
Neugasse 7
Aufnahme ca 1910
Das Haus Neugasse 7 hatte die Brandkatasternummer 74.
Der Hausname, den wir kennen ist schlicht und einfach Ulrichs.
Das Baujahr des Gebäudes lässt sich z.Z. nicht feststellen. Zur Zeit dieser Aufnahme wohnte dort die Familie Albert Ulrich I.
Die Personen auf dem Bild sind leider nicht überliefert.
Neugasse 12
Aufnahme ca. 1914
Das Haus Neugasse 12 hatte die Brandkatasternummer 64.
Der Hausname, den wir kennen ist Faaste.
Das Baujahr des Gebäudes lässt sich z.Z. nicht feststellen. Zur Zeit dieser Aufnahme wohnte dort die Familie Karl Heinrich Wilhelm Faist.
Die Personen auf dem Bild sind leider nicht überliefert.
Neugasse 13
Aufnahme ca. 1915
Das Anwesen Neugasse 13 hatte die Brandkatasternummer 71.
Dieser Hof wurde über mehrere Generationen von einer Familie Gerlach bewohnt. 1860 heiratete der aus Rödgen stammende Conrad Jehner in die Familie ein. Der überlieferte Hausname war bis 1908 "Jehnersch". Frida Jehner - die älteste Tochter hatte den Hof übernommen. Seit ihr Vater in 1897 starb war sie alleinstehend. Als sie krankheitsbedingt den Hof nicht mehr bewirtschaften konnte wurde das Anwesen von Adolf Bausch gekauft - seither ist es "Bausche". Adolf Bausch bezog das Anwesen mit seiner Frau als auch den Schwiegereltern Lauckhardt und seinem Schwager Karl Lauckhardt - der letzte einer über viele Generationen in Reichelsheim lebenden Familie, die bis dahin in der Unteren Haingasse zuhause war.
Das Baujahr des Gebäudes lässt sich z.Z. nicht feststellen.
Neugasse 15
Das Haus Neugasse 12 hatte die Brandkatasternummer 70.
Der Hausname, den wir kennen ist Hoarze.
Das Baujahr des Gebäudes lässt sich z.Z. nicht feststellen. Zur Zeit dieser Aufnahme wohnte dort die Familie Friedrich Gros.
Die Aufnahme aus der Zeit um 1920 zeigt links im Bild Friedrich Gros - bekannt als Hoarze Opa - oder schnell gesprochen Hotzopa. In der Mitte Tochter Dora, die später den Metzger und Gastwirt Karl Sprengel aus dem "Gasthof zur Post" ehelichte und rechts daneben Tochter Helma die spätere Frau von Wilhelm Marloff. Im Fenster hinten links Pauline Gros geb Vogt - Ehefrau von Friedrich Gros - und im Fenster rechts Caroline Gros geb Maley - die Hausmutter. Die jüngere Frau daneben ist nicht bekannt. Ebenso unbekannt sind die beiden Männer an den Pferden.
Neugasse 17
Aufnahme ca 1914
Das Haus Neugasse 17 hatte die Brandkatasternummer 69.
Das Baujahr des Gebäudes lässt sich z.Z. nicht feststellen.
Der Hausname, den wir kennen ist Hoase bzw. Welckersch.
Auf dem vorliegenden Foto ist am Haus noch die Brandkatasternummer (69) zu erkennen, die während des ersten Weltkrieges durch die Hausnummer (17) ersetzt wurde. Die Aufnahme stammt daher aus der Zeit vor 1914.
In 1900 starb der seinerzeitige Hausherr Johann Heinrich Haas, ein Wagnermeister welcher mit seiner Frau Catharina geb Mühlig kinderlos war. Nicht ganz Kinderlos, sie hatten zwei Knaben, die jedoch im Kindesalter schon verstarben.
Zur Zeit dieser Aufnahme wohnte in dem Haus die Familie des Heinrich Welcker, ein Wagnermeister aus Lindheim welcher im Jahre 1898 in Reichelsheim seine von hier stammende Frau Margarethe geb. Mühlig ehelichte.
Das Haus 17 in der Neugasse wurde ihr Zuhause und Werkstätte der Stellmacherei des Handwerksmeisters. Gemeinsam hatten sie 4 Kinder.
Margarethe Welcker war eine Nichte zu der bereits genannten Catharina Haas.
Folgende Personen sind zu erkennen:
Im Fenster Hofseite Heinrich Welcker,
im Fenster Straßenseite links Margarethe Welcker,
im Fenster Straßenseite rechts Wilhelmine – spätere Volz, das zweite Mädchen in diesem Fenster ist nicht zu erkennen,
oben im Fenster vermutlich Marie – spätere Maley.
Die im Jahre 1901 geborene Emma Welcker – spätere Schlack ist möglicherweise das Mädel am Hoftor.
Der 1909 geborene Stammhalter Albert ist nicht auf dem Bild zu sehen.
Albert selbst hatte 2 Söhne von denen der ältere das Anwesen in dritter Generation der Familie Welcker bewohnte.
In 2018 wurde das Anwesen verkauft.
Neugasse 21
Das Anwesen gehörte laut Brandkataster von 1868 der Gemeinde Reichelsheim und ist in dem entsprechenden Verzeichnis als "Lehrerhaus" beschrieben.
Als 1911/12 das neue Lehrerhaus in der Florstädter Straße gebaut wurde fand hier wohl auch Unterricht statt, denn im Brandkataster ist mit dem Jahr 1911 vermerkt: "erste Schule"
Neugasse 37
In der heutigen Neugasse 37 wurde 1893 der sogenannte Faselstall errichtet --> näheres zum Faselstall siehe hier unter "Vatertierhaltung"
Anfang der 1960er Jahre ging man bei den Kühen auf künstliche Besahmumg über. Die Anzahl der Ziegen war zu dieser Zeit bereits schwindend gering, so daß auch der Bock abgeschafft wurde. Nach und nach gingen die Landwirte dazu über, in kleinen Gemeinschaften einen Eber zu kaufen und somit hatte der Faselstall als solches ausgedient.
In 1964 wurde der "ehemalige" Faselstall zum Feuerwehrgerätehaus umgebaut. Die bis dahin an verschiedenen Orten in Reichelsheim untergebrachten Einsatzfahrzeuge und Gerätschaften fanden hier ihren vorerst endgültigen PLatz. Weiterhin existierte noch das alte Spritzenhaus aus dem Jahre 1911 in der Neugasse und dieses musste wegen der doch beengten Verhältnisse im Faselstall weiterhin genutzt werden.
1985 wurde das neue Feuerwehrhaus in der Bingenheimer Str. eingeweiht. Die Feuerwehr zog mit ihren Gerätschaften in ihr neues Domizil und der ehemalige Faselstall wurde zum städtischen Bauhof.
Mit dem Programm zur Dorferneuerung in den Jahren 1992 bis 2002 wurde der einstige Faselstall wiederholt umfassend saniert, umgebaut und einer völlig anderen Bestimmung übergeben. Der Bauhof wurde auf das zwischenzeitig freigewordene Gelände der PREAG in Heuchelheim verlegt.
Im Untergeschoß befinden sich seither ein Jugendtreff, welcher von der städtischen Jugendpflege betreut wird. Im Obergeschoß richtete man den sogenannten Agendaraum ein. Ein Raum, welcher für alle möglichen Belange von der Öffentlichkeit angemietet und genutzt werden konnte. Hier feierte man Geburtstage, Partys und sonstige Feten. Die Gymnastikgruppe hatte ihn genutzt genauso wie der Musikverein als gelegentlichen Übungsraum. Und natürlich fanden hier die Sitzungen zur Agenda 2000 statt.
Als die Plätze zur Kinderbetreuung in Reichelsheim an ihre Grenzen stießen hatte man den Agendaraum zum gegenüberliegen Kindergarten hinzugenommen. Seither wird dort eine Kindergartengruppe betreut.
Römerberg
Römerberg 5
Das Haus Römerberg 5 hatte die Brandkatasternummer 46.
Das Baujahr des Gebäudes lässt sich z.Z. nicht feststellen. Zur Zeit dieser Aufnahme gehörte der Hof der Familie Hermann-August und Emma Vogt.
Gemäß dem Häuser- und Familienverzeichnis von Albert Nohl ist dem Haus der Name Lehnherts (Leonhards) überliefert, was wohl auf den Urgroßvater des derzeitigen Hausherrn Herrmann Aug. Vogt zurückzuführen ist. Dieser war auf den Namen Johann Leonhard Vogt getauft und lebte von 1748 bis 1812. Wie oft üblich nannte er auch einen seiner Söhne Johann Leonhard. Spätestens als beide Leonhards auf dem Hof waren, lag es nahe, dem Haus dem Beinahmen Leonhards zu verpassen, denn den Familiennamen Vogt gab es in Reichelsheim ja recht häufig.
Hermann August Vogt ist mit dem Zusatz „Beigeordneter“ und „Rentner“ im Adressbuch des Wetteraukreises von 1906 eingeschrieben. Beruflich hat er sich zur Ruhe gesetzt. Auf seinem Hof gibt es keine männlichen Nachkommen. Im November 1901 heiratete die einzige Tochter in die Familie Gros in die Neugasse.
Die Landwirtschaftsfläche wird von seinem Schwiegersohn mitbewirtschaftet welcher leidenschaftlicher Pferdezüchter ist. Im Anwesen Römerberg 5 stehen nun wertvolle Zuchtpferde und für geraume Zeit sind dort die Hengste des Landgestüts untergebracht.
Sandgasse
Sandgasse 1
Das Anwesen in der Sandgasse 1 erhielt die Brandkatasternummer 105
Ein Hausname ist nicht bekannt
Die uns vorliegende Aufnahme zeigt das Haus Sandgasse 1 um das Jahr 1913/14.
Zu dieser Zeit lebte dort die Familie Karl Lang
Sandgasse 2
Das Anwesen in der Sandgasse 2 erhielt die Brandkatasternummer 104
Ein Hausname ist nicht bekannt
Die uns vorliegende Aufnahme zeigt das Haus Sandgasse 2 in den 1930er Jahren.
Zu dieser Zeit lebte dort die Familie des Schneidermeisters Heinrich Götz
Schweizergasse
Schweizergasse 2
Im Landesadressbuch des Großherzogtums Hessen/Provinz Oberhessen von 1906 ist mit der Adresse 127 der Gastwirt Philipp Rech eingetragen.
Philipp Rech, ein Ellen- und Wollwarenhändler aus Wattenheim heiratete 1891 nach Reichelsheim in die Familie Richter ein.
Im Jahre 1896 erweiterte er mit einem großen Anbau das bestehende Wohnhaus. Im unteren Stock entstand im Neubau ein Laden für Manufakturwaren mit Schaufenster und im 1. Stock ein Saalbau. Im bestehenden Gebäude wurde ein Gastraum eingerichtet. Die Gaststätte erhielt den Namen "Pfälzer Hof".
Als P. Rech starb, übernahm 1936 seine Tochter Paula Hesse verwitwete Bopp mit ihrem Mann Friedrich Heinrich Hesse das Anwesen mit der dazugehörigen Landwirtschaft und auch die Gastwirtschaft.
Von nun an hieß der Gasthof "Zur Wetterau"
Paula und Heinrich verstarben kurz hintereinander in 1976
Sohn Heinrich Wilhelm Friedrich Hesse, von allen Heini genannt, war der letzte Inhaber des Betriebes.
Turmgasse
Turmgasse 1
Das Anwesen Turmgasse 1 erhielt die Brandkatasternummer 18.
Der Hausname ist Faaste.
Mit der Erfassung der Reichelsheimer Anwesen im Brandkatasters 1808 wurde der Familienname Kautz eingetragen. Diese Familie lässt sich in Reichelsheim bis in das 16te Jahrhundert zurückverfolgen. 1844 heiratete der aus dem Büdinger Raum stammende Johann Georg Faist in dieses Haus ein. Drei Generationen später verheiratete sich die einzige Tochter Marie Faist mit dem aus der Bingenheimer Straße 10 stammenden Karl Georg Nohl - genannt Weils Karl ...
Da blicken dann nur noch Altreichelsheimer duch ;)
Turmgasse 2
Das Anwesen in der Turmgasse 2 erhielt die Brandkatasternummer 5.
Der Hausname, den wir kennen ist Mooge.
Turmgasse 4
Das Anwesen in der Turmgasse 4 erhielt die Brandkatasternummer 6.
Der Hausname, den wir kennen ist Kratze .
1901 übernahm der Zimmermann Karl Kratz laut Brandkataster das Anwesen von einem Konrad Wilhelm Vogt
Turmgasse 6 gibt es nicht!
Die relativ kleinen Parzellen 236, 237 und 238 - welche wahrscheinlich aus erbrechtlichen Gründen getrennt waren und zwei aufeinanderfolgende Brandkatasternummern hatten (Nr 6 und 7) wurden bei der Flurbereinigung um 1900 im Grundstück Turmgasse 4 zur Parzelle 236 zusammengefasst.
Katasterplan Flur 1 Abteilung K von Reichelsheim (Turmgasse, Waschbachgraben, Das Alte Dorf, Vorstadt) siehe hier --> http://reichelsheim-wetterau-wiki.de/images/a/ab/Das_Alte_Dorf.jpg
Turmgasse 8
Das Anwesen in der Turmgasse 8 erhielt die Brandkatasternummer 8, was in Bezug auf die Hausnummer purer Zufall ist.
Der Hausname, den wir kennen ist Hellerbäckersch.
Was wir noch wissen ist, Daß das Anwesen zur Zeit der Gültigkeit des letzten Brandkatasters (Beginn 1869) der Familie Nohl gehörte. 1900 baut Adolf Nohl in der Bahnstraße (damals Kettenbrunnenweg) neu und verkauft das Anwesen an den aus Echzell nach Reichelsheim eingeheirateten Bäckermeister Heinrich Heller. Dieser kam nach Reichelsheim, gerade als der Bäcker Veith (Bingenheimer Str. 21) verstorben war und konnte dessen Backofen übernehmen. Louis Veith - der Hausherr - war Landwirt, so mag es sein, daß diese Kombination auf Dauer nicht harmonisierte und H. Heller nach einem eigenem Häuschen schaute. Der Backbetrieb bleibt zumindest bis zum Jahre 1907 in der Bingenheimer Str., denn erst dann erfolgt der Bauantrag auf eine Backstube in der Turmgasse 8.
Heinrich Heller hatte es sicher nicht leicht. Seine Frau verstarb bereits 1914 mit 36 Jahren und sie hatten 3 kleine Kinder - davon 2 Töchter, und man glaubt es kaum - beide heirateten später jeweils einen Bäcker. Wobei die Geschichte noch einen bitteren Nachgeschmack hat: Frieda die ältere Tochter heiratete 1920 mit 21 Jahren und verstarb ungeklärt 10 Tage nach der Trauung. Viele Jahre erzählt man sich von der jungen Frau, die im Hochzeitskleid beerdigt wurde.
Alwine heiratete 1 Jahr später den aus Heuchelheim stammenden Bäcker August Ludwig, welcher den Betrieb des Hellerbäckers übernahm.
Walter Ludwig, der Sohn von August und Alwine war der letzte Bäcker in Hellerbäckersch Haus. Er führte den Betrieb bis zu seinem plötzlichen Tod im Jahre 1971. Er starb mit 45 Jahren.
Turmgasse 10
Das Haus Turmgasse 10 wurde dem Brandkataster mit der Jahreszahl 1877 hinzugefügt und bekam die eingeschobene Nummer 8 1/10
Der Hausname ist Koarmanns.
Vom Oktober 1877 liegt ein Antrag des Küfers Johannes Wilhelm Kornmann vor, welcher sich eine Feuerstelle mit Kamin in seiner neu erbauten Scheune mit Werkstatt genehmigen lassen möchte.
Marie Kornmann, geb Möser, war Hebamme und hatte in Reichelsheim viele Mütter dabei unterstützt, ihre Kinder auf die Welt zu bringen.
Sohn Hermann - auch Küfer - übernimmt 1897 die Verpflichtungen der Brandsteuer.
In dritter Generation übergibt dieser an seinen Sohn Albert der allgemein unter dem Namen Seljé bekannt werden sollte.
Albert Kornmann hatte dort eine Sattlerei und Polstererwerkstatt und war obendrein noch Tapezierer.
In 1963 erfolgte durch Albert Kornmann der Antrag zur Wohnhausaufstockung, den die Familie seiner Lebensgefährtin vollendet. Albert stirbt 1964 mit 66 Jahren.
Das Anwesen ist mit Familie Schäfer faktisch heute noch in Familienbesitz.
Turmgasse 12
Das Anwesen in der Turmgasse 12 erhielt die Brandkatasternummer 9.
Turmgasse 13
Das Anwesen in der Turmgasse 13 hatte die Brandkatasternummer 14.
Das Haus wurde in Reichelsheim "s'Gmohaus" genannt - Gemeindehaus eben.
Bis 1866 steht als Eigner im Brandkataster "Die Viehbesitzer" nach Auflösung des Herzogtums wurde "Gemeinde Reichelsheim" als Besitzer eingetragen.
Im Grundstücksverzeichnis (1882) steht: Hofraithe der Gemeindehirten
Turmgasse 14
Auch der Turm in der Turmgasse hat eine Hausnummer, wer also die fortlaufende Nummer 14 in der Turmgasse sucht, wird am Hexenturm fündig.
Stutzig wird man, wenn man an der Eingangstür zum Turm ein Schild mit der Nummer 10 erblickt. Hier hängt eben noch ein Stück Stadtgeschichte, denn dieses ist das Nummernschild des Brandkatasters.
In fortlaufender Nummerierung wurde der Turm - allerdings erst mit dem Kataster von 1868 - in das Inventar des Brandkatasters mit aufgenommen und erhielt die Nummer 10.
Das ist sicherlich auf die hölzerne Dachhaube zurückzuführen, die der Turm von einem Zigarrenfabrikanten spendiert bekommen haben soll.
diese Dachhaube wurde im Jahre 1954 wegen Einsturzgefahr abgetragen.
Leider kam der Erhaltung dieser Dachhaube nicht die entsprechende Notwendigkeit zu. Denkmalschutz war seinerzeit kein Thema und in den 1950er Jahren - der Wiederaufbauzeit - nach dem Krieg, hatte man sich eher über das beim Abriss abfallende "Brennholz" gefreut.
Turmgasse 15
Das Anwesen in der Turmgasse 15 hatte die Brandkatasternummer 13. Hausname Gloasersch, weil hier mehrere Generationen Glasmacher (Familie Karl Vogt und Vorfahren) gelebt hatten. Der Eingang des Anwesens liegt zwar schon sehr lange Bachgassenseitig, aber das war wohl nicht immer so. In früheren Zeiten muß der Hauptzugang von der Turmgasse aus erfolgt sein, sonst hätte man das Anwesen nicht der Turmgasse, sondern der Bachgasse zugeordnet.
Es wird erzählt, daß hier auch einmal ein Bierbrauer seine Braukunst ausgeübt haben soll.
Zumindest ist das Anwesen auf der gegenüberliegenden Seite - Turmgasse 26 - im Katasterbuch von 1808 und 1817 als "Das Gemeinde Brauhaus" aufgeführt.
Während des zweiten Weltkrieges war das Anwesen unbewohnt und man verbrachte hier die in Reichelsheim zur "Zwangsarbeit" eingesetzten französischen Kriegsgefangenen zur Nachtruhe. Hier wurden sie bewacht.
Turmgasse 26
Das Anwesen in der Turmgasse 26 hatte die Brandkatasternummer 11.
Im Katasterbuch von 1808 und 1817 ist es als "Das Gemeinde Brauhaus" aufgeführt.