Ortsteil Blofeld / Heimats- und Bürgerrechtsscheine

Aus Historisches Reichelsheim


Heimat- Bürgerrechtsschein

Stichwort:

  • Wahlrecht
  • Soziale Versorgung
  • Wohnrecht
  • Ortsbürger


Verfassungs-Urkunde für das Großherzogtum Hessen

vom 17. Dezember 1820

Auszugsweise

Die Verfassung des Großherzogthums

Artikel 13. Das Recht eines Inländers (Indigenat) wird erworben: 1. durch die Geburt für denjenigen, dessen Vater oder Mutter damals Inländer waren; 2. durch Verheirathung einer Ausländerin mit einem Inländer; 3. durch Verleihung eines Staatsamts; 4. durch besondere Aufnahme.

Artikel 14. Staatsbürger sind diejenigen volljährigen Inländer männlichen Geschlechts, welche in keinem fremden persönlichen Unterthans Verband stehen und wenigstens drey Jahre in dem Großherzogthume wohnen. Die in dem Besitze einer oder mehrerer Standesherrschaften sich befindenden Häupter der jetzigen standesherrlichen Familien haben jedoch das Staatsbürgerrecht ungeachtet eines fremden persönlichen Unterthans-Verbands.

Artikel 15. Nicht christliche Glaubensgenossen haben das Staatsbürgerrecht alsdann, wenn es ihnen das Gesetz verliehen hat, oder wenn es Einzelnen entweder ausdrücklich, oder, durch Uebertragung eines Staatsamts, stillschweigend verliehen wird.

Artikel 16. Jede rechtskräftige Verurtheilung zu einer peinlichen Strafe ziehet den Verlust des Staatsbürgerrechts nach sich. Seine Ausübung wird gehindert: 1. durch Versetzung in den peinlichen Anklagestand, oder Verhängung der Special-Inquisition; 2. durch das Entstehen eines gerichtlichen Concurs-Verfahrens über das Vermögen bis zur vollständigen Befriedigung der Gläubiger; 3. während der Dauer einer Curatel und 4. für diejenigen, welche für die Bedienung der Person oder der Haushaltung eines Andern Kost oder Lohn empfangen, während der Dauer dieses Verhältnisses.

Artikel 17. Das Recht des Inländers geht verloren: 1. durch Auswanderung; 2. durch Verheurathung an einen Ausländer. Die Wittwe erhält jedoch die Rechte einer Inländerin wieder, wenn sie entweder im Großherzogthume geblieben ist, oder dahin, mit Erlaubniß der Staatsregierung und unter der Erklärung, sich darin niederlassen zu wollen, zurückkehrt.


Die Gau- und markverfassung

von Friedrich Thudichum Gießen 1860

- Ausschnitt - Die gemeinde

Die gemeindemitgliedschaft. Classen der gemeindeleute

Mitglied der gemeinde, und an allen rechten und pflichten eines gemeindsmannes theil nehmend war der jenige mann, welcher von einem gemeindsmann abstammte oder als einziehender in die gemeinde aufgenommen wurde, und eignen haushalt führte. Ursprünglich bestand die gemeinde nur aus freigeborenen; im laufe der zeit, und zwar schon vielfach im mittelalter;verschwand aber die unberechtigung der liden und eigenleute; sodaß regelmäßig alle bewohner des dorfs auch mitglieder der gemeinde waren. In bezug auf nutzungen wurden die wittwen wie männer gehalten, hatten aber gewöhnlich kein stimmrecht. Löste man den eignen haushalt auf und lebte mit anderen zu sammen, so trat man damit auch aus der gemeinde. Man gehörte zu den alten. Dies gilt also namentlich von vätern, die ihr gut den kindern übergaben, und sich nur wohnung und kost bei ihnen aushielten. Die alten waren von gemeindelasten und landesherrlichen frohnden befreit, genossen dann aber auch keine nutzungen mehr an der almeinde. Nur ein weniges brennholz wurde ihnen verabreicht und ihnen wohl auch hin und wieder gestattet eine kuh auf die gemeine weide zu treiben. So hielt man es z. b. im dorf Obermockstadt in der Wetterau noch vor 50 jahren. Zu Niedermockstadt dagegen waren die nutzungen so bedeutend, daß dort die „alten“, die ihr vermögen an ihre kinder übergeben hatten, sich nicht „aus der gemeinde zu thun“ pflegten, sondern frohnden und sonstige gemeinds lasten forttrugen (sie ließen sie durch ihre kinder mitbesorgen), um die nutzungen fortzugenießen.

Gerichtsbuch zu Eichen. 27.Jan. 1722: „Es über gib auch Nicloß Linden witb ihre nachbarschafft auff, allhier beym gericht, und ist ihr erlaubt eine kuh und 1 schwein zu halten.

Besitz von ackerland oder wohnhaus war keine bedingung des gemeinderechts; dieses war rein persönlicher natur. Aber allerdings hatte der besitz von vermögen, und besonders von land, wichtigen einfluß auf größe von rechten und pflichten des gemeindsmannes, und auf ihn gründet sich eine wichtige eintheilung der gemeindeglieder in zwei oder drei klassen.

1. Die erste klasse bildeten diejenigen, welche eine volle hube land besaßen, die hubner, ackerleute, bauern. Uebrigens wurde nicht streng die zahl der morgen nach gerechnet; man schloß sie aus der zahl des ackerviehs, das einer hielt. Fuhr er mit ganzem gespann ochsen oder einem pferd, so hatte er auch wohl etwa eine hube lands; daher hießen die hubner auch vollspänner, fahrende, geschirrleute.

2. Wer nur mit einem ochsen oder zwei kühen fuhr, war halbspänner, einspänner, halbbauer,halber ackersmann, er führte nur einen halben pflug, besaß nur einen halben hof. „Darumb gibt einer der ein pflug furet ein halber malter korns, und einer der ein halben pflug füret, und sunst ein armer, ein firntzel korns“.


Heimatschein

Früher musste man sich nicht nur polizeilich anmelden, sondern auch das Heimatrecht erwerben. Das Orts-Heimatrecht bestimmte die Zugehörigkeit zur Gemeinde – eine Art von Gemeindebürgerschaft.

Das Heimatrecht wurde nicht durch den Zuzug automatisch erworben, sondern man musste sich darum bemühen.

Mit dem Heimatrecht hatte man Anspruch auf ungestörten Aufenthalt, das Wahlrecht und (ganz besonders wichtig) auf soziale Versorgung im Falle von Armut oder Not.

Das Heimatrecht konnte durch Amtsantritt (Beamte), Ersitzung (nach 10 Jahren durchgehendem Aufenthalt), Eheschließung (bei Frauen) und Abstammung (wenn die Eltern es besessen hatten) erworben werden. Bekommen hat man es im letzten Fall vom Vater, bei ledigen Kindern vom mütterlichen Großvater. Frauen bekamen bei der Heirat die des Ehemannes.

Durch zweijährige Abwesenheit (Verschweigung) konnte man es verlieren. Zog man also in einen anderen Ort um, musste man dort erst um die Heimatgerechtigkeit ansuchen oder erwarb sie nach einigen Jahren unbescholtenem Aufenthalt auch automatisch. Ließ sich ein Fremder etwas zuschulden kommen oder wurde nur arbeitslos, konnte er gewaltsam in seine zuständige Gemeinde gebracht werden, wo man sich um ihn kümmern musste.

Wanderte ein Bewohner eines Ortes ab, so benötigte er ebenfalls einen Heimatschein. Mit diesem Heimatschein konnte er sich wo anders ansiedeln und arbeiten. Wenn er sich an dem neuen Ort gut führte, wurde er dort aufgenommen. Wenn er jedoch verarmte, musste seine Heimatgemeinde für seinen Unterhalt aufkommen.

In der Praxis hatte das Heimatrecht Bedeutung, wenn es Probleme gab. Lebte ein Mensch außerhalb seiner Heimatgemeinde und wurde dort beispielsweise arbeitslos, oder gar straffällig, dann wurde er in seine Heimatgemeinde abgeschoben, die sich um ihn kümmern mußte.


Register und Heimatscheine