Flutbach

Aus Historisches Reichelsheim

Zum Bau der Horloff-Flutbach oder auch Neubach hat Reichelsheim aktiv nichts beigetragen. Den Verlauf der Flutbach jedoch haben die Nassauer aufgrund ihrer zurückhaltenden Entscheidung maßgeblich beeinflusst. So mußte die Flutbach in einem ungünstigen Verlauf und in gebührendem Abstand entlang der nassauer Gemarkungsgrenze angelegt werden. Hätte man noch ein paar Jahre mit dem Bau der Flutbach gewartet ... , denn 1866 wurde das Herzogtum Nassau aufgelöst und Reichelsheim kam zu Hessen. Das Projekt wäre nun keine Ländersache mehr gewesen. Eventuell hätte damals eine Einigung zwischen den Parteien sogar die Verlegung des Horloffbettes (1898 bis 1900) überflüssig gemacht - wer weiß.

Die Flutbach wurde Anfangs des 19. Jahrhunderts in der Gegend von Utphe begonnen. Heute ist davon nichts mehr zu erkennen. Zwischen Hungen und Grund-Schwalheim wurde früher Braunkohle abgebaut und die Horloff bekam dort in den 1950er Jahren ein neues Bett. Vom Bergbau übrig geblieben sind der Inheidener/Trais-Horloffer- sowie der obere und untere Knappensee, an denen sich die Horloff heute östlich vorbeischlängelt. In dieser Gegend gibt es sehr viele Gräben, die in die Horloff abgeleitet werden.

Die Flutbach hat heute ihren Beginn in Echzell. Sie wird dort mit dem von Borsdorf kommenden Weidgraben zusammengeführt und fließt an der Bingenheimer Mühle vorbei entlang der heute bereinigten Gemarkungsgrenze in ihrem ursprünglichen Bett, bis sie zwischen dem Reichelsheimer Flugplatz und Ober-Florstadt wieder in die Horloff geleitet wird.

Den Verlauf der Flutbach kann man auf der Internetseite zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in Hessen nachverfolgen (bitte etwas Geduld - langsamer Seitenaufbau)

Auf der Internetseite des Hessischen Naturschutz-Informationssystems z.B. kann man sich nicht nur informieren, wo in der Gemeinde die Grenze des Vogelschutzgebietes verläuft oder welche Tiere auf der "Roten Liste" stehen, sondern durch die Möglichkeit historische Luftbilder einzublenden, lassen sich sehr schön Veränderungen - z.B. im Flusslauf - nachvollziehen.

Link zum Hessischen Naturschutz-Informationssystem


Flutbachbrücke an der Bingenheimer Mühle

In der Horloff-Flutbach-Brücke an der Bingenheimer Mühle ist auf dem Schlußstein die Jahreszahl 1840 eingearbeitet

Diese Brücke steht mittlerweile unter Denkmalschutz und wurde in 2013 von April bis Oktober aufwendig saniert.
(Hier gab es einmal einen Link zu einem Artikel der lokalen Presse - der aber leider nicht mehr kostenlos zur Verfügung steht)



zitiert aus Heft Nr. 3 Seite 17ff von Albert Nohl

Die Horloff kommt aus dem Vogelsberg von der Feldkrücker Höhe. Sie fließt in der Hauptrichtung nach Süden und mündet bei Florstadt in die Nidda. Schon ab Hungen tritt sie in die Ostebene der Wetterau ein. Dann fließt sie langsam und träge dahin. Ihr Wasser ist hell und klar, ihr Lauf sehr gewunden. Zur Zeit der Schneeschmelze im Vogelsberg führt sie viel Wasser mit sich und überschwemmt dann häufig die Wiesen an ihrem Unterlauf. Da sie dann oft Schaden anrichtet, versuchte man ihre Wasserführung zu entlasten. Die Gemeinden in dieser Gegend versuchten in den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts ostwärts des eigentlichen Horlofflaufes ein zweites Bett für einen Entlastungsbaches zu graben, wodurch die großen Überschwemmungen vermindert und ein rascherer Ablauf des Wassers gewährleisten werden sollte. besonders interessiert waren dabei die hessischen Orte Grundschwalheim, Echzell, Bisses, Bingenheim, Blofeld, Leidhecken und Oberflorstadt. Das Interesse des nassauischen Ortes Reichelsheim war dabei zweitrangig. Der zunächst geplante neue Lauf lief aber , da er an der Grenze Reichelsheims zu den Orten Bingenheim, Blofelds, Leidheckens und Ober-Florstadts vorgesehen war, dann am längsten entlang dem Reichelsheimer Gebiet. Also hätte Reichelsheim den Löwenanteil der Kosten zu tragen gehabt. Dies war dann den Reichelsheimern zu viel und sie traten von dem vorgesehenen Bau zurück. Also baute man den Ersatzlauf auf hessischem Gebiet und legte ihn (auf) in die Gemarkungen der oben genannten Orte und zwar so, daß jede dieser Gemeinden noch einen Geländestreifen jenseits des neuen Bachlaufes hatte. Um zu diesen Streifen zu kommen mußten umständliche Umgehungsfahrten in Kauf genommen werden. Der neue Flußlauf, Horloff-Flutbach genannt, verlief etwa 50 - 60m jenseits der Reichelsheimer Gemarkungsgrenze östlich von dieser. Hätte man sich gütlich geeinigt, wäre dieser Schildbürgerstreich vermieden worden. Denn in der Tat handelte es sich um einen solchen. So manch Reibereien, die sich ergaben, wären dann vermieden worden. Sie trübten oft das gutnachbarliche Verhältnis der Gemeinden unter sich. Die Gemarkungsgrenzsteine standen erhöht auf dem westlichen Grenzweg und waren für alle Beteiligten ein Stein des Anstoßes. Besonders auch dann, als im Zeitalter der Maschinen, bei der Heuernte beispielsweise, manche Mähmaschine, ein Wender oder ein Rechen zu Bruch ging. Schuld an diesen unliebsamen Verhältnissen trugen auch die Verwaltungen beider Länder Nassau und Hessen, die sich in einer eigentlich sehr wichtigen fragen nicht einigen konnten und stur mit ihren Starrköpfen blieben. Dies wirkte sich auch auf die Erstellung besserer Verbindungswege zwischen den genannten Ortschaften aus. Wenn man eine brauchbare Straße nach Blofeld, Leidhecken und Staden benutzen wollte, mußte man den nicht geringen Umweg über die Bingenheimer Wegegabelung, der Bingenheimer Ast genannt, wählen.


Aus einem Brief des Reichelsheimer Müllers Henrich Bopp an die Herzogl. Nassauische General Domanian Direction zu Wiesbaden von 1832:

Gehorsamste Bittschrift des Müllers Henrich Bopp zu Reichelsheim um gnädigen Schutz daß ihm das bisher bezogene und für seine Erbbestandsmühle höchst nöthige Horloffwasser ferner belassen werde... Ich habe mich bis jetzt auch redlich als Müller erwährt, soll aber nun erfahren, daß das Grosherz. Hessische Gouvernement mir alles Wasser abgräbt, mich trocken legt damit aber auch mich total nahrungs- und ich mit meiner zahlreichen Familie brodlos macht. Zu meinem größten Schrecken wird nehmlich bei Florstadt auf Hessischem teritorio ein neues Bett für die Horloff gegraben, welches dem Nassauischem teritorio den ganzen Bach entzieht, und wonach derselbe oberhalb meiner Mühle schon auf Hessisches Territorium verlegt wird. Obgleich mir noch nicht klar wird, aus welchen Gründen den Hessischen Operationen von Hohen Behörden kein Damm entgegengesetzt wird, indem solche offenbar eine Territorial Verletzung in sich schließen, so darf ich doch von der bekannten Gerechtigkeit hoher Stellen hoffen, daß hochdieselbe mich als Ihren Erbpächter in gnädigen Schutz nehmen und dahin Fürsorge treffen daß ich in meinen Gerechsamen in meinem Gewerbe nicht gekränkt, und nicht brodlos gelegt werde.


Dem Inhalt dieser Bittschrift folgernd kann man davon ausgehen, daß der Müller von dem Flutbachvorhaben scheinbar nicht in Kenntnis gesetzt wurde. Die Flutbach verläuft von Echzell ab ein gutes Stück parallel der Horloff, vorbei an der Bingenheimer Mühle und dann in gerader Linie Rtg Florstadt um dort, nach einem Knick auf Florstädter Gemarkung, wieder in die Horloff zu fließen. Oberhalb der Bingenheimer Mühle war ein Wehr zwischen Horloff und Flutbach, über dieses der Wasserstand in der Horloff bzw. des Flutbaches reguliert werden konnte. Nicht selten hatten die Bingenheimer bei Niedrigwasser die Möglichkeit genutzt, den nassauischen Reichelsheimern - wie man so schön sagt - den Hahn zuzudrehen.


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