Deutsche Schrift

Aus Historisches Reichelsheim

Araber, Chinesen, Russen, Japaner, Israeli, Griechen und zahlreiche andere bedeutende Völker denken nicht im geringsten daran, ihre eigenen jahrhundertealten und bewährten Gebrauchsschriften aufzugeben. Nur wir Deutsche sind nicht zufrieden. Aufgrund von Rechtschreib- und Schriftreformen sind die meisten deutschstämmigen leider nicht in der Lage, Briefe, Karten, Tagebücher, Kochbücher, Urkunden, Verträge etc. unserer Vorfahren problemlos zu lesen und auch zu verstehen - es sei denn, man hat sich mit diesen Schriften befasst.


Da ereignen sich solch kuriose Fälle wie:

  • daß ein in alter Schrift gefasster letzter Wille - z.B. Sütterlin - nicht von jedem Notar gelesen werden konnte und es dann Probleme bei der Testamentseröffnung gegeben hatte.
  • daß im November 2008 die Justizvollzugsanstalt Celle anordnete, die gesamte eingehende als auch ausgehende Post von Strafgefangenen anzuhalten bzw. zurückzuschicken, wenn sie in Sütterlinschrift und somit unleserlich verfaßt ist. Nach einem Urteil des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 19. Mai 2009 (Aktenzeichen: 1 Ws 248/09 StrVollz) wurde die Anordnung vom November 2008 wieder aufgehoben, denn Sütterlin ist eine deutsche Schrift.
  • Anfragen an Behörden, die in deutscher Schrift (Sütterlin, Kurrent, etc.) verfasst sind, dürfen von Amtswegen nicht abgelehnt werden, nur weil die bearbeitende Person das Schriftstück nicht lesen kann.


Das Bundesverwaltungsamt, Bundesstelle für Büroorganisation und Bürotechnik (BBB), hat eine entsprechende Anfrage mit Schreiben vom 25. November 1999 wie folgt beantwortet: (Zitat)

Da es sich bei der Sütterlinschrift um eine deutsche Schreibschrift handelt, ist gegen ihren Gebrauch für Schreiben an öffentliche Dienststellen nichts einzuwenden. Im Verwaltungsverfahrensgesetz ist lediglich festgelegt: ‚Die Amtssprache ist deutsch.‘ Im Grundgesetz heißt es: ‚Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.‘ Wenn ältere Menschen hierzu die Sütterlinschrift verwenden, die sie als deutsche Schreibschrift gelernt haben, kann man ihnen keine andere Schreibweise vorschreiben. Für die Anwendung bestimmter Schriftarten gibt es keine Formvorschriften.
"Schriftstücke sind auch in deutscher Sprache abgefasst, wenn sie in einer heute nicht mehr gebräuchlichen Schrift wie der Sütterlinschrift geschrieben sind. (...). Die Behörde kann keine Übertragung verlangen." (Stelkens/Schmitz § 23 VwVfG).


Abriss über die Geschichte der deutschen Schrift siehe --> https://deutsche-schrift.beepworld.de/schriftgeschichte.htm


Im Volksmund wird nahezu jede für den ungeübten unleserliche altdeutsche Schrift als Sütterlin bezeichnet, wobei Sütterlin nur in einer relativ kurzen Zeitspanne gelehrt und angewendet wurde. Als altdeutsche Schrift werden dabei eine Reihe von alten, schon lange nicht mehr gebräuchliche Schriftarten bezeichnet. Eine allgemeingültige altdeutsche Schrift gibt es nicht. Schon alleine die Schriftarten der letzten beiden Jahrhunderte sind unüberschaubar.

In folgender Auflistung grob die, in deutschen Landen verwendeten Schriftarten:

  • Schwabacher - weit verbreitete Druckschrift seit dem 15. Jahrhundert. Die Lutherbibel z.B., also die deutsche Übersetzung der lateinischen Gutenberg-Bibel, wurde überwiegend in einer Schwabacher Schrift gedruckt und hatte damit im gesamten deutschsprachigen Raum zur Verbreitung beigetragen.
  • Deutsche Kanzleischrift − bis ins 19. Jahrhundert für amtliche Schriftstücke und Dokumente gebräuchlich
  • Deutsche Kurrentschrift − Schreibschrift im 18. und 19. Jahrhundert
  • Deutsche Schreibschrift – Anfang des 20. Jahrhunderts als Schulschrift eingeführt
  • Sütterlinschrift − Schulausgangsschrift ab 1928
  • Deutsche Volksschrift − Variante der Sütterlinschrift als "neue" Schulausgangsschrift von 1935 bis 1941
  • Deutsche Normalschrift − 1941 fällte Hitler seine Entscheidung. Die alten Schriften seien sämtlich zugunsten der „Normal-Schrift“ aufzugeben
  • Deutsche Schrift ist zudem der Name einiger Schriftarten aus den Jahren 1890 bis 1940, wie etwa Rudolf Kochs 1906 erschienene „Deutsche Schrift“ (sogenannte „Koch-Fraktur“)
  • Offenbacher Schrift − wurde nach 1945 bis Anfang der 1960er Jahre an einigen deutschen Schulen als zweite Schreibschrift gelehrt.
  • Lateinische Ausgangsschrift − wurde am 4. November 1953 durch den Erlass der Kultusministerkonferenz verbindlich in der damaligen Bundesrepublik Deutschland als Schulausgangsschrift eingeführt
  • Vereinfachte Ausgangsschrift − 1969 entwickelt ... seit 1972 an einigen Schulen in Erprobung
  • Grundschrift − seit 2011 in einigen Bundesländern von interessierten Schulen als neues schriftpädagogisches Konzept erprobt


Seit 2011 werden in Deutschland die Lateinische Ausgangsschrift, die Vereinfachte Ausgangsschrift, die Schulausgangsschrift und die Grundschrift verwendet. Dabei ist es Aufgabe der jeweiligen Bundesländer, Regeln zur Verwendung der Schriften zu erlassen, wobei entweder keine Schrift vorgeschrieben wird, mehrere Schriften zur Auswahl stehen oder eine Schrift verbindlich vorgeschrieben wird. Jedes Bundesland verfährt dabei anders.
Glücklicherweise ähneln sich diese Schriften sehr stark und ein Laie wird kaum Unterschiede feststellen können.
Wie für uns deutsche üblich, gibt es auch heutzutage keine einheitliche Schreibschrift.


einige interessante Links zu Seiten, die sich mit "altdeutscher" Schrift befassen