Artikel der Rubrik "Damals" / Zuckerrübenverladung mit dem Netzkran 1960er Jahre

Aus Historisches Reichelsheim

Für den Stadtkurier 27. Oktober 2017 Rubrik "Damals"

Verantwortlich und Ansprechpartner für die Rubrik "Damals" ist:
Horst Diehl, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsverein Reichelsheim/Wetterau e.V. (HGV)
Bingenheimer Straße 29
mail-Adresse: h.diehl@web.de


Bildbeschreibung:

Reichelsheim

Zuckerrübenverladung am Bahnhof Reichelsheim

Im Herbst ist Zuckerrübenzeit. Meist Mitte Oktober beginnt die Kampagne der Zuckerrübenernte und zieht sich bis in den Januar hinein.

Zucker war schon seit jeher ein bedeutendes Nahrungs- und Genußmittel. Da Zucker jahrhundertelang ausschließlich aus Zuckerrohr gewonnen wurde und hierzulande somit als Kolonialware galt, war dieser entsprechend teuer. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts entdeckte man Zucker in Runkelrüben und durch Züchtung gelang es den Zuckergehalt zu steigern. 1802 begann man in Schlesien erstmals mit der Zuckergewinnung aus Rüben in größeren Mengen, um den Beweis für eine industrielle Herstellungsmöglichkeit zu erbringen. 50 Jahre später war die Entwicklung soweit gediehen, daß sich ein Rübenzucker Zollverein gründete. Bis zum Jahre 1882 bestanden bereits knapp 400 Zuckerfabriken in Deutschland, als man in der Wetterau den Gedanken fasste, in Friedberg gleichfalls eine Fabrik zu errichten. Zwar hatte man schon um 1870 in der Wetterau vereinzelt Zuckerrüben angebaut aber neben den Befürwortern des Zuckerübenanbauens gab es auch ausreichend Skeptiker und bis das daß Kapital für die „Aktien Zuckerfabrik Wetterau“ in ausreichender Höhe gezeichnet war, sollte noch ein Jahr vergehen.
Seit 1884 wurde nun in Friedberg Weißzucker hergestellt und unsere Landwirte haben ihre Zuckerrüben dort abgeliefert. Erst mit Pferd und Wagen oder auch mit dem Kuhgespann – später dann auch mit motorisierten landwirtschaftlichen Fahrzeugen. Im Oktober 1897 wurde die Horlofftalbahn eröffnet – wann aber bei uns der Zuckerrübenverkehr auf die Schiene gekommen ist, daß war leider nicht in Erfahrung zu bringen. Die unten abgebildete Aufnahme aus den 1960er Jahren zeigt die bis 1982 praktizierte Netzverladung. Diese Krananlage war durch die Zuckerfabrik installiert worden und stellte zur Alternative „Verladen von Hand“ schon eine drastische Vereinfachung bzw. Automatisierung dar. Die Landwirte holten sich die Netze bei der zuständigen Stelle ab – in unserem Fall bei Kastemoasters und breiteten diese vor dem Beladen auf den Wagen aus. Jeder Landwirt hatte seinen Verladetermin, an dem er seine vollen Netze auf die Wagons entladen bekommen sollte, die hoffentlich auf dem Verladegleis bereit standen. Angeliefert hatten hier Landwirte aus Reichelsheim, Weckesheim, Heuchelheim und Blofeld. Weiterhin gab es auch Rübenanbauer, die direkt am Hof der Fabrik in Friedberg anfuhren und den Verladekran nicht nutzten. 1981 übernahm die Südzucker AG die Zuckerfabrik Friedberg und im Jahr darauf endete dort die fast 100 Jahre andauernde Zuckerproduktion. Die Verarbeitung der Wetterauer Rüben fand danach im Werk der Südzucker AG in Groß Gerau statt, für dessen Rübentransport eine neue hydraulische Kipp-Verladerampe am Bahnhof in Reichelsheim installiert wurde. Zum 07.01.1988 wurde die ZAAG gegründet und der Rübentransport findet nunmehr ausschließlich auf der Straße statt. Die Zuckerfabrik bot lange Jahre vielen Reichelsheimern einen sicheren Arbeitsplatz und ein sicheres Einkommen. Von 1951 bis 1953 war der Reichelsheimer Helmut Linkmann Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Zuckerfabrik.


Informationen aus dem Buch 75 Jahre Zuckerfabrik Friedberg und Herwig Marloff

Die Aufnahme stammt von Willy Nohl und wurde von Familie Dörfler zur Verfügung gestellt.


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