Artikel der Rubrik "Damals" / Zigarrenmacher in Reichelsheim
Für den Stadtkurier 28. April 2023
Rubrik "Damals"
Verantwortlich und Ansprechpartner für die Rubrik "Damals":
Horst Diehl, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsverein Reichelsheim/Wetterau e.V. (HGV)
Bingenheimer Straße 29
mail-Adresse: h.diehl@web.de
Bildbeschreibung:
Reichelsheim hatte Mitte des 19ten Jahrhunderts bis Anfang des 20ten Jahrhunderts mehrere kleine Betriebe, die mit der Herstellung von Zigarren - sprich dem Rollen von Zigarren den Ort zur Zigarrenmanufaktur emporhoben.
Wo der Tabak angebaut wurde und wie es dazu kam, daß in Reichelsheim die Tabakfabrikation derartig boomte, ist nicht überliefert. Im Stadtarchiv unseres Städtchens gibt es diesbezüglich nur wenige Nachweise.
Im Ortsfamilienbuch Reichelsheim kommt die Berufsbezeichnung Zigarrenmacher,
Zigarrenfabrikant oder Zigarrenarbeiter recht häufig vor. Nicht selten kamen diese Männer
von weiter her, um in Reichelsheim diese Tätigkeit auszuüben. Oft sind solche Familien in
Reichelsheim sesshaft geworden. Genauso oft sind diese Familien aber auch wieder in ihre
alte Heimat zurückgekehrt.
Da ist z.B. ein Friedrich Muhl, aus Alten-Buseck, mit der Berufsbezeichnung
Zigarrenmacher, welcher laut Kirchenbuch von Reichelsheim mit seiner Frau Justine Muhl
geborene Dechert sieben Kinder hatte, die in Reichelsheim geboren, getauft und auch
konfirmiert wurden. Das 3. Kind Karl ist mit 14 Jahren 1881 in Reichelsheim gestorben und
beerdigt. Anhand dieser Kirchenbucheinträge kann man davon ausgehen, daß diese Familie
mindestens für 17 Jahre in Reichelsheim gelebt haben dürfte ... möglicherweise aber auch
länger.
Wahrscheinlich ist, daß diese Zigarrenproduktion durch den Kaufmann Friedrich Bernhard
Schwarz ins Leben gerufen wurde. F.B. Schwarz, geb in Loxten, Nordrhein-Westfalen, lies
sich in den 1840er Jahren in Reichelsheim nieder und heiratete hier seine aus Solingen
stammende Frau Emma Henriette - eine geborene Kirschbaum. Kurze Zeit später erwarb er von der Heinrich Eckhold Witwe das Anwesen
Hauptstraße/Ecke Haingasse - das spätere sogenannte Kaufhaus Schwarz.
In einem späteren Anbau entstand eine "Zigarrenfabrik"
Die Tochter seines Bruders, welcher sich in Echzell
als Kaufmannes niedergelassenen hatte brachte den Zigarrenfabrikanten Christian
Altmannsberger mit in die Ehe. Die Altmannsbergers zogen nach Reichelsheim und
gründeten in der heutigen Florstädter Straße 1 eine "Zigarrenfabrik"
Die Ehe des F. B. Schwarz blieb Kinderlos. Als Nachfolger holte er seinen Neffen Friedrich Hermann Meier nach Reichelsheim. Zusammen mit einem Herrn Erler aus Heidelberg gründete dieser die Zigarrenfabrik Meier und Erler in Reichelsheim.
- Aus dem Jahr 1896 liegt im Stadtarchiv Reichelsheim ein Bauantrag des Joh. Karpp von Höchst zur Erbauung einer Zigarrenfabrik vor.
- Aus dem Jahr 1897 liegt eine Akte vor, bzgl. Genehmigung, Einrichtung, Betrieb der Zigarrenfabrik des August Friedrich Ohly von Wehrheim
- Im Oberhessischen Adressbuch von 1906 ist die Firma Karpp & Nohl, Zigarrenfabrikation in Reichelsheim eingetragen.
Interessant ist, daß diese Zigarrenfabrikanten allesamt keine gebürtigen Reichelsheimer waren.
Meyers Lexikon von 1883 beschreibt Reichelsheim wie folgt:
Stadt in der hessischen Provinz Oberhessen, Kreis Friedberg, an der Horloff, bis 1866 zu
Nassau gehörig, Zigarrenfabrikation und (1883) 820 Einw.
In Meyers Universal Lexicon aus dem Jahr 1905 ist zu lesen:
Reichelsheim in der Wetterau, Stadt in der hess. Provinz Oberhessen, Kreis Friedberg, an
der Horloff und der Staatsbahnlinie Beienheim-Nidda, bis 1866 zu Nassau gehörig, hat eine
evang. Kirche, Zigarrenfabrikation und (1905) 800 Einw.
Es war mit der Zigarrenfabrikation in Reichelsheim demnach so enorm, daß es sogar in Meyers Lexicon erwähnt wurde.
Lageplan zur Errichtung einer Tabakfabrik des Heinrich Johannes Karpp in der Turmgasse