Artikel der Rubrik "Damals" / Kriegsende in der Wetterau im März 1945
Für den Stadtkurier 28. März 2025
Rubrik "Damals"
Verantwortlich und Ansprechpartner für die Rubrik "Damals":
Horst Diehl, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsverein Reichelsheim/Wetterau e.V. (HGV)
Bingenheimer Straße 29
mail-Adresse: h.diehl@web.de
Bildbeschreibung:
28. / 29. März 1945 - Kriegsende in der Wetterau vor 80 Jahren
Am 23. März 1945 überqueren Einheiten der 3. US-Armee den Rhein bei Oppenheim und dringen rasch nach Osten und Norden vor. Vom 25. bis 28. März werden Darmstadt, Offenbach, Frankfurt, Wiesbaden und Hanau von amerikanischen Truppen bei nur noch schwacher Gegenwehr erobert. Trotz gesprengter Brücken ist der Main kein Hindernis beim Vorrücken der Amerikaner.
Vor den herannahenden US-Truppen ziehen seit Tagen endlose Flüchtlingsströme, Soldaten, Parteifunktionäre, Polizeikräfte mit Gefangenen - motorisiert, mit Fuhrwerken und auch zu Fuß durch die Wetterau.
Am Nachmittag des 28. März ergeben sich mit Vilbel und Nachbarorten die ersten Gemeinden der Wetterau. In einer Zangenbewegung durchqueren US-Truppen die Wetterau und ziehen Richtung Echzell und Nieder-Florstadt.
Reichelsheim und seine heutigen Stadtteile bleiben zunächst unberührt.
Von Weckesheim und Beienheim wird berichtet, daß US-Panzer von der Hohen Straße aus Schüsse auf den Ort abgegeben haben. In allen Stadtteilen wurden von beherzten Bürgern weiße Fahnen (Bettücher) aufgehängt, wobei sie von fanatischen NS-Genossen teilweise unter Waffengewalt dazu gezwungen wurden, diese wieder zu entfernen. In Heuchelheim bereitete man sich auf den herannahenden Feind vor, legte eine Panzersperre an und hob einen Straßengraben aus. Unsicher schickte man nach Reichelsheim, um zu erfahren, was man dort zu tun gedenkt.
Die Frontlinie durchläuft vom 28. bis 30. März die Wetterau, die militärische Lage ist völlig unübersichtlich, keiner weiß in diesen Tagen und Stunden zuverlässig, ob der eigene Ort verteidigt wird oder schon besetzt ist oder vielleicht auch wieder rückerobert wurde.
Während die Bevölkerung, um ihre Dörfer und Städte vor einer Zerstörung zu bewahren vielerorts weiße Fahnen aufhängt, wollen fanatische Parteifunktionäre und Soldaten bis zum letzten Atemzug kämpfen und beschwören für Zivilisten und Militärs noch vereinzelt lebensbedrohliche Situationen herauf.
Bei Staden, Stammheim, Florstadt z.B. kam es zu kleineren Schießereien zw. amerik. Einheiten und deutschen Soldaten mit dem Ergebnis völlig unnötiger Zerstörungen sowie Gefallenen auf beiden Seiten. Auch Zivilisten wurden getötet.
Für Blofeld schien am 28. März 1945 der Krieg endlich vorbei. Der Ort wurde von den Amerikanern besetzt. In den Abendstunden bezogen diese Stellung auf der Anhöhe in Richtung Dauernheim und schlugen dort ihre Zelte auf.
In den frühen Morgenstunden des 29. März wurde es laut in Blofeld. Ein deutscher Verband durchfuhr den Ort, ohne zu ahnen, daß die Amerikaner am Waldrand Rtg. Dauernheim lagerten. Als diese die herannahenden deutschen Soldaten erblickten, eröffneten sie sofort das Feuer. Die Amerikaner, wohl auch in Panik, haben auf alles geschossen, was sich da bewegte. Unter der alten Dorflinde hatte der Schausteller Köhler aus Butzbach seinen Wohnwagen stehen, in der Meinung, hier in Blofeld sei es sicherer als in Butzbach. Sein Wagen wurde in Brand geschossen und brannte völlig aus. Die Familie Köhler überlebte das Desaster. Ein junger Leutnant ist bei dem Beschuss gefallen. Der 14jährige Edgar Böckman, direkt am Hauptgeschehen wohnend, lief aus dem Haus, um in der Scheune Deckung zu suchen, doch er wurde getroffen und erlag seiner Verwundung.
Auch die Frau eines deutschen Unteroffiziers sowie deren 6jährigr Sohn wurden schwer verletzt, der 2jährige Sohn blieb glücklicherweise unverletzt. Die Verwundeten wurden in eine Scheune gebracht, wo sie leider noch am selben Tag verstarben.
Der 2jährige Sohn des Unteroffiziers wurde von einer Blofelder Familie aufgenommen und großgezogen.
Die in diesem Gefecht gefallenen/verstorbenen Personen haben in Blofeld eine dauerhaft geschützte Ruhestätte erhalten, die gem. Gesetz über die Erhaltung der Gräber aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft zukünftigen Generationen die Erinnerung daran aufrechterhalten soll.
Die Aufnahme zeigt die durch die Mitglieder der Ehren- und Altersabteilung der Feuerwehr Blofeld im Jahre 2016 neu angelegten Kriegsgräber auf dem Friedhof in Blofeld.