Artikel der Rubrik "Damals" / Gemeindehaus und Kindergarten1939 – 1944

Aus Historisches Reichelsheim

Für den Stadtkurier 09. Mai 2014

Rubrik "Damals"

Verantwortlich und Ansprechpartner für die Rubrik "Damals" ist:

Horst Diehl
Bingenheimer Straße 29
mail-Adresse: h.diehl@web.de


Bildbeschreibung:

Gemeindehaus Reichelsheim 1939 - 1944:

1938 fasste man in der Gemeinde Reichelsheim den Beschluß zu einem Gemeindehaus mit eigener Kinderbetreuung und kaufte den Garten der Familie Conrad neben der Post. Dort baute man ein Haus, welches im unteren Stock die Erziehungsschule (Kindergarten) und im oberen Stock die Gemeindeverwaltung beherbergte. 1939 war Einweihung. An der Fassade war ein Schild der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt angebracht. Der Kindergarten unterstand dem Ortsgruppenleiter der NSDAP. "Tante Irma" war die erste Betreuerin dort - sie wohnte bei Familie Berg im Hause "Krüger" schräg gegenüber. Noch sehr jung wurden Hedwig Geier, Tilli Pfeffer und Marie Kaiser aus Weckesheim zur Kinderbetreuung hinzugezogen und ausgebildet.
Tante Hedwig - wie sich die Erzieherinnen untereinander nannten und wie sie auch von den Kindern angesprochen wurden erinnert sich: "Es war eine sehr schöne Zeit. Morgens wurden die Kinder nach und nach gebracht. Über Mittag waren die Kinder zu Hause bei ihren Familien. Wir sind dann im Entenmarsch - Händchen an Händchen - durch den Ort marschiert und haben die Kinder nach Hause gebracht. "Bis nach Veithe" – was heißen will bis ans andere Ende des Ortes. Veithe war der letzten Hof an der Straße Richtung Florstadt. Nach dem Mittag haben wir auf die gleiche Weise die Kinder wieder abgeholt und abends das gleiche Spiel."
Keine 5 Jahre sollte der Kindergarten überdauern. Vor genau 70 Jahren, am Freitag, den 12. Mai 1944 trudelte ein über Friedberg manövrierunfähig geschossener und von der Besatzung aufgegebener 4-motoriger Bomber über die Wetterau. Dieser war über Reichelsheim bereits so tief, daß er den Schornstein der Molkerei streifte, um dann wie anvisiert in das Gemeindehaus zu stürzen. Im Sinkflug rasierte er die Scheune der Hofraite Scheibel und zerstörte das Gemeindehaus bis auf die Grundmauern.
Glück im Unglück; Es war gerade Mittagszeit und das Gemeindehaus war nicht besetzt. Das Personal und die Kinder waren nicht im Haus und kein Mensch wurde verletzt. Das entstandene Feuer konnte recht schnell unter Kontrolle gebracht werden und der verursachte Sachschaden an den umliegenden Gebäuden hielt sich in Grenzen. Abgesehen von Scheibels Scheune war Conrads Wohnhaus am stärksten betroffen gewesen.

Seit dem 12. Mai 1944 bis zur Einweihung des heutigen Kindergartens „Steinbeißer“ in 1962 gab es in Reichelsheim sonst keine weitere nennenswerte Kinderbetreuung. Das Bild zeigt die „Schwestern“ Tilli, Marie und Hedwig mit den Kindern vor dem „Kindergarten“ gesehen von der Bingenheimer Straße aus.



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