Artikel der Rubrik "Damals" / Gänse zum Martinstag

Aus Historisches Reichelsheim

Für den Stadtkurier 09. November 2018
Rubrik "Damals"

Verantwortlich und Ansprechpartner für die Rubrik "Damals" ist:
Horst Diehl, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsverein Reichelsheim/Wetterau e.V. (HGV)
Bingenheimer Straße 29
mail-Adresse: h.diehl@web.de


Bildbeschreibung:


Reichelsheim


Gänse zum Martinstag

Es sind hier nur die wenigen Gänse eines Hofes, die Mathilde Meub über einen abgeernteten Acker führt. In allen Gemeinden gab es früher Hirten, die mit den Tieren des ganzen Ortes durch die Gewanne zogen und die Gänse hüteten. Wie Irene Fleischhauer schon vor einigen Wochen in einem anderen Artikel berichtete:“ Ich kann mich noch gut an die Kessler-Lisbeth erinnern, die mit ihrer Schnarre durch das Dorf ging und die Gänse, die die Leute dann herausließen, in die Horloff zum Schwimmen führte.“

Die Gänse auf dem Foto dürften so ziemlich das Ende ihrer Mastzeit erreicht haben und bald als Martinsbraten auf den Tisch gekommen sein.
Da drängt sich natürlich die Frage auf: "Wo stammt der Ausdruck Martinsgans her?" Nun, die Antwort hat natürlich mit dem heiligen Martin zu tun - das wissen wir.

Die Legende sagt, als man Martin gegen seinem Willen zum Bischof weihen wollte, hielt er sich in einem Stall versteckt und Gänse hätten ihn durch ihr Geschnatter verraten. Dafür müssten die Gänse noch heute büßen.

Martin ist am 08.11. des Jahres 397 gestorben. Am 11.11. wurde er unter großer Beteiligung der Bevölkerung beerdigt. Später wurde er vom Papst heiliggesprochen und seither ist es sein Gedenktag.

Nun ist der 11.11. aber auch schon seit den Zeiten des Lehenswesens der Abgabetag der Steuern. Das heißt, zum Ende des bäuerlichen Wirtschaftsjahres empfing Lehnsherr und Geistlichkeit den Zehnten, welcher in aller Regel in Naturalien gezahlt wurde.
Oft wechselten Knechte, Mägde oder Saisonarbeiter ihre Arbeitsstellen zum Martinitag und wurden nicht selten mit einer Gans zum Abschied beschenkt.


Auch gab es in der römisch-katholischen Kirche analog der Fastenzeit vor Ostern, eine Fastenzeit vor Weihnachten. Dieses Fasten begann mit dem Sonntag nach dem 11. November. In vielen Familien kamen da sicherlich die schlachtreifen Gänse zum Martinstag auf den Tisch.


Das Foto wurde uns von Familie Schreiber, Reichelsheim zur Verfügung gestellt.


Rhm Math Meub beim Gaensehueten.jpg