Artikel der Rubrik "Damals" / Einem Aprilscherz gleich

Aus Historisches Reichelsheim

Für den Stadtkurier 01. April 2016

Rubrik "Damals"

Verantwortlich und Ansprechpartner für die Rubrik "Damals" ist:

Horst Diehl
Bingenheimer Straße 29
mail-Adresse: h.diehl@web.de


Bildbeschreibung:

Reichelsheim; Einem Aprilscherz gleich:



Im Jahre 1897 erschien folgender Text in der Hochzeitszeitung für den Reichelsheimer Wilhelm Sprengel und seiner Frau Amalie – den späteren Eigentümern des Gasthofes zur Post.


Tagesneuigkeit 1897.jpg


Tagesneuigkeiten
Reichelsheim. – Dem „Wetterauer
Wurstblatt“ entnehmen wir folgend-
de Notizen: „Endlich hat sich die
Stadt Reichelsheim entschlossen,
ein Elektrizitätswerk zu bau-
en, und zwar auf dem Lohberg.
Der Betrieb geschieht auf eine
noch nie dagewesene Art,
nämlich durch Windmoto-
ren. Auch werden Schein-
werfer angelegt, die den
nachhausegehenden nach
Mitternacht die Strasse be-
leuchten


Zu dieser Zeit gab es in Deutschland bereits seit einigen Jahren elektrischen Strom und die Technik war bekannt, doch Reichelsheim war vom elektrischen Strom noch weit entfernt.


Hier bei uns dienten damals Gas- und Petroleumlampen als Beleuchtungsquellen. Man fuhr mit Pferdekutsche, Ochsenkarren oder man ging zu Fuß – eventuell, wenn man sich eins leisten konnte, hatte man ein Fahrrad. Die wichtigste Kraftquelle war die Muskelarbeit von Mensch und Tier. Auch das Wasser kam noch nicht aus der Leitung und mußte – wer keinen eigenen Brunnen besaß - von den öffentlichen Brunnen mit Muskelkraft nach Hause transportiert werden.

1881 - also vor 135 Jahren eröffnete in Paris die erste Internationale Elektrizitätsausstellung der Welt. Bereits 1877 waren in Paris elektrische Straßenlampen aufgestellt worden. Berlin erhielt die erste elektrische Straßenbeleuchtung in 1882.

Anfang 1911 verpflichtete sich Hessen gegenüber dem Staat ein Kraftwerk zu errichten und die Gemeinden verpflichteten sich gegenüber dem Land, sich an die Fernleitungen anzuschließen sowie Straßen, Wege und Grundstücke zur Errichtung der notwendigen Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.

1913 war es dann auch in Reichelsheim soweit – die elektrische Straßenbeleuchtung wurde eingeführt. Laut Pfarrchronik erleuchtete am 11. Juli 1913 das erste mal elektrisches Licht die Hauptstraße. Vereinzelt wehrte man sich vehement gegen diesen modernen Kram und nicht selten mußten die Monteure der Überlandanlage die Unterstützung des Ordnungsamtes beanspruchen, damit sie ordnungsgemäß ihre Arbeiten durchführen konnten. Skepsis, Angst und auch Geldmangel waren wohl die ersten Beweggründe, die zur Ablehnung führten. Doch schon bald nachdem die „neuen“ Straßenlaternen die Hauptstraßen erleuchteten, beantragten die Anwohner der Seitenstraßen auch diese mit elektrischem Licht zu versehen und nach und nach eroberte die Glühbirne die Wohnstuben.

Zu dieser Zeit waren übrigens das elektrische Bügeleisen, die elektrische Waschmaschine oder auch der Toaster schon längst erfunden. Einer der ersten, welcher die Installation elektrischer Einrichtungen in Reichelsheim durchführen durfte, war der Schlosser Wilhelm Nohl aus der Oberen Haingasse.

Aus dem Buch „100 Jahre OVAG“ stammt diese kleine Anekdote: Als dann der Strom eingeschaltet wurde und plötzlich die elektrische Glühbirne erleuchtete, erschrak der Großvater und sagte: “Mach des Licht kloa – mei Aache gie jo kaputt!“