Artikel der Rubrik "Damals" / Das alte nassauische Amthaus

Aus Historisches Reichelsheim

Für den Stadtkurier 11. Februar 2022
Rubrik "Damals"

Verantwortlich und Ansprechpartner für die Rubrik "Damals":
Horst Diehl, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsverein Reichelsheim/Wetterau e.V. (HGV)
Bingenheimer Straße 29
mail-Adresse: h.diehl@web.de


Bildbeschreibung:


Reichelsheim:

Amthaus

In der letzten Januarwoche hatten wir von dem alten großen Tor zum Schulhof berichtet. Der Gedanke liegt nah, daß dieses mächtige Tor ein Relikt des ehemaligen Amthauses gewesen sein könnte, welches schon seit dem 15ten Jahrhundert hier gestanden haben soll und zugunsten eines Lehrer-Wohnhaus-Neubaus in 1910/11 abgetragen wurde.

Es gibt leider nur ein einziges Motiv, welches das alte Reichelsheimer Amthaus zeigt und dieses findet man auf alten Ansichtskarten und auch als Kohle- oder Tuschezeichnung in einigen Häusern an der Wand hängend. Die schönste Variante dieses Motivs aber ist ein Stich, entnommen dem Buch "Der wilden Frauen Gestühl" von Georg Schäfer, Lauterbach aus dem Jahr 1898.

Man vermutet, daß dieses Gebäude um 1500 errichtet worden sei.
Anfangs des 15. Jahrhunderts erwarb die Grafschaft Nassau-Weilburg in der Wetterau einige Lehen und wandelte diese nach und nach durch Kauf in Eigentum um. Dazu gehörte auch der Flecken Reichelsheim.
Um 1570 verkauften die Nassauer Grafen ihren Anteil der sogenannten Fuldischen Mark - mit Ausnahme von Reichelsheim - an die Landgrafschaft Hessen-Marburg. Reichelsheim gehörte bis dahin verwaltungstechnisch dem Amt Bingenheim an und sollte nun eigenständiges Amt zu Nassau werden.
Das besagte Amthaus war Sitz der Verwaltung - des Amtmannes und des sogenannten Kellers. Ein Keller war insbesondere für die Eintreibung der Geld- und Naturalabgaben an den Lehns- bzw. Grundherren verantwortlich. Der Amtmann, welcher auch die Rechtsprechung ausübte, war wohl nur zeitweise in Reichelsheim. Da das Amt Reichelsheim nur aus dem Ort Reichelsheim selbst bestand (1806 kam Dorn-Assenheim noch zum Amt Rhm hinzu) war es für den ständigen Sitz eines Amtmannes zu klein.
Links im Bild sieht man einen Teil der zum Amthaus gehörenden Rentscheune, in der das von Reichelsheim an seine Obrigkeit abzuliefernde Naturalgut eingelagert wurde.

Mit der Auflösung von Nassau kam Reichelsheim 1866 verwaltungstechnisch zu Hessen und wurde in den Kreis Friedberg eingegliedert. Das Amthaus gehörte fiskalisch noch bis 1870 dem Staat und wurde dann der Gemeinde Reichelsheim überschrieben, die das Gebäude den Schullehrern zur Verfügung stellte. Bis dahin wohnte zumindest einer der Reichelsheimer Lehrer im ehemaligen Caplaneihaus der evangelischen Kirche in der Neugasse. Die letzten Bewohner des Amthauses waren die Familien der Lehrer Adam Schäfer und Karl Lepper, die dann auch gleich die ersten Bewohner des anstelle des Amthaus errichteten neuen Lehrerhauses wurden. Heute befindet sich dieses Gebäude in Privatbesitz.


Amtshaus Rhm 1898.jpg