Artikel der Rubrik "Damals" / Das Textilhäuschen in der Hauptstraße 37

Aus Historisches Reichelsheim
< Artikel der Rubrik "Damals"
Version vom 29. Juli 2022, 13:48 Uhr von Horstdiehl (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Für den Stadtkurier 29. Juli 2022
Rubrik "Damals"

Verantwortlich und Ansprechpartner für die Rubrik "Damals":
Horst Diehl, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsverein Reichelsheim/Wetterau e.V. (HGV)
Bingenheimer Straße 29
mail-Adresse: h.diehl@web.de


Bei Textilhaeuschen 1951.jpg

In der Festschrift zum 30jährigen Jubiläum des Männerchors Beienheim im Jahre 1951 fand ich ein Inserat, (s. Abb.) welches mich zu dem folgenden Beitrag inspirierte.

Hinweis:
Diese Annonce, die komplette Festschrift und noch mehr, finden sie zum Nachlesen auf unserer Webseite "Historisches Reichelsheim“, Rubrik "Vereine" unter "Sport und Gesangvereinigung Beienheim"


Bildbeschreibung:

Ein unscheinbares Häuschen an der Hauptstraße in Beienheim …

Das Gebäude, an dem das Brautpaar gerade vorbei schreitet - nennen wir es Gewerbehäuschen - wurde Ende 1943 von Karl Kempf, dem späteren Bürgermeister, als Wäscherei erbaut.
Durch die späteren neuen Besitzer wurde es bis in die 1990er-Jahre als Gewerbefläche vermietet.
Karl Kempf, der auch ein Bauunternehmen besaß, errichtete dieses Gebäude auf ganzer Breite in den Vorgarten eines kleinen alten Hauses, welches zurückgesetzt auf dem hinteren Teil dieses Grundstücks stand. Mit dessen Rückseite grenzte es an die Scheune des Landwirts Bingel.
Bis zu seiner Zerstörung in 1943 diente dieses alte Haus noch als Unterkunft für Bedienstete des Hofguts Reif.
Laut Zeitzeugen waren Georg und Marie Sauer die letzten Bewohner.

Weiter erfuhr ich durch unabhängige Aussagen folgende Details und Geschichtchen:
Das Parterre des genannten "kleinen alten Hauses" wurde als Stall für Ziegen, Schweine und Federvieh genutzt - oben darüber wurde gewohnt.
Beim Betreten hatte man als Kind schon so ein mulmiges Gefühl, die dunkle, schmale Treppe nach oben, in diese für sie unheimliche Behausung zu steigen.
Seine Zerstörung und der folgende Abriss geschah nach einem Jagdbomberangriff auf das Elektrizitätswerk der HEFRAG in Wölfersheim in 1943. Um leichter und schneller ihren Rückflug antreten zu können warf eine der beiden Lockheed P-38 Lightning Bomber über Beienheim ihre beiden Zusatztanks ab! Einer traf dieses Haus, Gott sei Dank zu dieser Zeit ohne, daß einer der Bewohner zu Hause war. Das alte Haus wurde dadurch stark beschädigt und war nun unbewohnbar. Der zweite Tank landete auf einem Feld, etwa dort wo sich heute der Aussiedlerhof von Hilmar Moll befindet. Für die damaligen Schulkinder war das ein tolles Ereignis. Man hatte schon gehört, dass in den Tanks, je nach Deformierung, noch Restbenzin sein könnte. So liefen ein paar Jungs mit Flaschen ins Feld und füllten diese mit dem restlichen Treibstoff. Zu Hause gab man dies dem Vater und laut Aussage eines damals 13jährigen hatte Papa nun für 2 Jahre Feuerzeug-Benzin. Die ramponierten Tanks aus Metall wurden von den Jungs - so wie man es ihnen in der Schule gelehrt hatte - als verwertbarer Kriegsschrott hinter das Schulgebäude transportiert.

Nun wieder zum Gewerbehäuschen:
Nach dem Krieg erwarb der „Schuster Heine“ Heinrich Kempf, Besitzer des mittig auf dem Bild befindlichen Wohnhauses die Nachbarimmobilie mit diesem Gewerbehäuschen. Seine Tochter Lydia erbte nach dessen Ableben das gesamte Objekt und zog im Jahre 1954 mit ihrem Mann Arnold Müller, ein Wölfersheimer, dort ein.
Von 1949 bis 1953 war in dem Gewerbehäuschen dieser in der Anzeige befindliche Textilladen mit Drogerieartikelverkauf eines Friedberger Händlers angesiedelt.
Ein alter Beienheimer, Gustav Reinhardt, mietete sich danach als Polsterer und Möbelrestaurator ein.

Wissentlich war der letzte Pächter der "Basthaus" - der in der dritten Generation befindlicher Bäckermeister Lothar van Bashuisen.
Er verkaufte dort seine Backwaren, Getränke und auserwählte Lebensmittelprodukte an seine Kundschaft.

Unwirtschaftlich wurde das Vermieten diese Gewerbehäuschen als eine Vollsanierung durch diverse Schäden an Dach und Gemäuer anstand. Anfang der 2000 Jahre wurde es ersatzlos abgerissen.


Beitrag und Recherche Rainer Rosenbecker
HGV Reichelsheim e.V. Ortsteil Beienheim
Bild: Rainer Rosenbecker, Beienheim


Bei Hochzeitsgesellschaft auf der Hauptstr 1952.jpg