Ortsteil Reichelsheim / Posthalterei

Aus Historisches Reichelsheim
Posthausschild einer Herzoglich Naussauischen Post-Expedition

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde durch die Einrichtung eines Postkurses die Wetterau mit ihren Dörfern an das bestehende Postkursnetz angeschlossen. Der neue Kurs führte von Frankfurt über Vilbel, Assenheim, Dorn-Assenheim, Reichelsheim, Bingenheim, Echzell, Salzhausen, Nidda und Schotten bis nach Lauterbach. In den größeren Orten an der Strecke wurden Postexpeditionen eingerichtet. Auch in Reichelsheim hatte man sich diesbezüglich bemüht.
Der erste Posthalter in Reichelsheim war der aus Blofeld stammende Gastwirt Johannes Conrad, der in 1844 von 3 Bewerbern in Reichelsheim die Zusage erhielt, eine Postexpedition mitsamt einer Posthalterey[1] zu unterhalten. Am 15. August 1844 soll die Eröffnung gewesen sein - man nimmt an, daß dies in dem Gebäude Bingenheimer Str. 27 gewesen sein muß, welches bis in das Jahr 2017 unter dem Namen Gasthof zur Post betrieben wurde.
Im Vertrag zur Gründung des Deutschen Bundes in 1815 (Bundesakte) sicherte sich die Thurn und Taxis Post als Betreiber der ehemaligen Reichspost durch Verträge mit den souveränen Fürsten und den freien Städten Deutschlands in deren Mitgliedsstaaten das Postrecht auszuüben - so auch im Nassauer Fürstentum.
Johannes Conrad, der im Auftrag der Thurn und Taxisschen Post und der großherzoglich-hessischen Postverwaltung einen regelmäßigen Postfahrbetrieb zwischen Friedberg und Nidda unterhielt, füllte diesen Posten aus, bis er am 01.11.1856 starb.
Nachfolger wurde sein Sohn Franz Conrad, der schon lange als "Gehülfe" in der Posthalterey tätig war und zum 25. Januar 1857 seinen "Bestallungsbrief" erhielt.

Nur mal so nebenbei: Die Freimarken hatte die Thurn und Taxis-Post zum 1. Januar 1852 eingeführt. Ebenso wurde in den 1850er Jahren ein den Postämtern zugeordnetes Nummernsystem eingeführt, woran man Orte aus einer Region an diesem Zahlenbereich einzuordnen vermag. In Reichelsheim wurde dazu ein Stempel mit Vier Ringen und der Nummer 201 verwendet (Verwendungszeit: 27.1.1853 bis 30.6.1867)

Nach der Besetzung durch Preußen im Deutsch-Deutschen Krieg wurde Thurn und Taxis gegen Abfindung zur Abtretung der Posteinrichtungen an den Staat gezwungen - die Übergabe erfolgte am 1. Juli 1867 und so lange waren die alten Wertmarken auch noch gültig.
Bereits fünf Jahre später - nach Gründung des Deutschen Reichs in 1871 - gingen alle Postinstitutionen des Landes in der "Reichspost" auf.

Der "Gasthof zur Post" wird in alten Festschriften noch "Nassauer Hof" genannt. Es ist anzunehmen, daß 1866 mit dem Ende der nassauischen Regierung in Reichelsheim der Gasthof umbenannt wurde.
Im Jahre 1877 legte Franz Conrad das Amt nach 20 jähriger Tätigkeit nieder. Ein Jahr lang wurde das Amt kommissarisch verwaltet. Während dieser Zeit erfolgte in Reichelsheim die Umwandlung der Postexpedition in ein "Kaiserliches Postamt". Am 31. Mai 1879 wurde Theodor Zinser aus Schotten zum Postverwalter des Kaiserlichen Postamtes nach Reichelsheim i.d.W. bestellt. Theodor Zinser wurde sehr schnell seßhaft in Reichelsheim - heiratete 1880 Marie Conrad, die Tochter seines Amtsvorgängers und hatte mit ihr 6 Kinder. 1886 plante Zinser gegenüber dem Gasthof zur Post sein Wohnhaus mit dem "neuen" Postamt welches aber erst 1893 in Betrieb gegangen sein soll.
Im Mai des Jahres 1900 übernahm Wilhelm Sprengel den Gastof zur Post von Franz Conrad und dessen Sohn Adolf Conrad wiederum den Gasthof zur Rose in der heutigen Bingenheimer Str 14. Franz Conrad verstarb am 17.02.1902.
Bis zum 1. Dezember 1918 übte Th. Zinser sein Amt aus, dann mußte er krankheitsbedingt das Amt aufgeben. Nachfolger wurde sein Sein Sohn Karl Zinser. 1935 wurde durch zusammenlegen von Ämtern das Postamt Reichelsheim zu einem Zweigpostamt und der Postmeister Karl Zinser wurde aufgrund seiner Stellung versetzt. Reichelsheim wurde von nun an von Postangestellten verwaltet. Die erste Leiterin dieses Amtes war bis 1938 eine Frau Dallwitz.

Während des zweiten Weltkrieges wurde aufgrund des immensen Postaufkommens für das Deutsche Reich als auch in den besetzten Zonen die zweistelligen Postleitgebietszahlen eingeführt - Hessen erhielt die 16. Dieses System wurde auch noch nach 1945 - zumindest in den beiden deutschen Staaten beibehalten.

Zinser Verkaufte das Anwesen an den aus Dalherda (Röhn) stammenden Posthalter Johann Richard Baier, welcher das Postamt Reichelsheim bis 1952 leitete und dieses dann 1953 an die Deutsche Bundespost verkaufte. Nachfolger von Baier wurde Hans Sauer.
Während dessen Amtszeit wurde 1962 das vierstellige Postleitzahlensystem eingeführt. Reichelsheim hatte nun die 6361.
1980 ging Herr Sauer in den Ruhestand. Von 1980 -1983 wurde Herr Günther Rau mit der Postverwaltung beauftragt. Von 1983 an war Postbetriebs-Inspektor Adolf Schwarz Leiter der Stelle in Reichelsheim.
1993 begann die Einführung der fünfstelligen Postleitzahl im wiedervereinigten Deutschland - Reichelsheim erhält einheitlich zum 01. Juli 1993 die 61203
Am 11.09.1994 feierte man mit einem Tag der offenen Tür in der Postfiliale und einer Ausstellung des Echzeller Briefmarkenvereins im Gasthof zur Post "150 Jahre Post in Reichelsheim" -> siehe Artikel der WZ vom 12.09.1994
Zu diesem Anlass erstellte der damalige Stadtverordnetenvorsteher Hagen Behrens in Rekordzeit eine durchaus lesenswerte Festschrift (siehe unter Media).

Im Zuge der Postreform Mitte der 1990er Jahre erfolgte in den kommenden Jahren eine Schließungswelle von Postämtern, wobei auch die Reichelsheimer Postfiliale betroffen war und geschlossen wurde.

Seit September 1998 betreibt das Schreibwarengeschäft Walther in der Bingenheimer Straße 8 eine Postagentur und ermöglicht den Reichelsheimern damit weiterhin das Dienstangebot der Deutschen Post innerhalb des eigenen Wohnortes zu nutzen.


Media


Welche Aufgaben und welche Bedeutung einer "Postexpedition und Posthalterei" zukamen, wird aus einer Bekanntmachung der Großherzoglich Hessischen Ober-Post-Inspektion betreffend der "Benennung der Local-Poststellen im Großherzogthume Hessen" vom 31. Juli 1844 ersichtlich:

  1. "Hinsichtlich der Benennung der Local-Poststellen im Großherzogthume ist verfügt worden, daß: 1) der dem Großherzogl. Oberpostamte in Darmstadt zugeordneten Local-Postexpeditionsstelle auch ferner die Benennung "Oberpostamt-Expedition“, 2) die Benennung 'Postamt' aber den Postexpeditiosstellen in den Städten Mainz, Gießen, Worms, Offenbach und Bingen, sowie 3) die Benennung 'Postexpedition' allen übrigen Poststellen, bei denen blos Expeditionsdienst vorkommt, endlich 4) die Benennung 'Posthalterei' denjenigen Poststellen zustehen soll, welchen die Unterhaltung eines Poststalles obliegt, wonach den zugleich 5) diejenigen Poststellen, bei denen der Expeditionsdienst mit der Unterhaltung eines Poststalles vereinigt ist, 'Postexpedition und Posthalterei' heißen sollen; was hiermit zur Wissenschaft und Nachachtung bekannt gemacht wird."