Ortsteil Reichelsheim / Kriegerdenkmal 1870/71: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Historisches Reichelsheim
Zeile 12: Zeile 12:
  
 
<br style="clear: both;" />
 
<br style="clear: both;" />
 +
 +
Im Laufe der Jahre hat der Sandstein des Denkmals bereits erheblichen Schaden genommen. Durch Verwitterung sind die feinen Ausarbeitungen an den Bildnissen und den Figuren in Mitleidenschaft gezogen worden. Einige Teile sind bereits weggebrochen wie z.B. der Unterkiefer des Löwen oder die Enden der Fahnenstange, die der Soldat in die Höhe streckt.
 +
 +
Eine Sanierung des Denkmals war seitens der Stadt Reichelsheim bislang nicht angedacht worden.<br>
 +
Ganz im Gegenteil - wenn in der Öffentlichkeit über das Denkmal diskutiert wird, wird zunehmend die Meinung geäußert, daß dieses Gebilde alles andere als ein Mahnmal darstellt - eher noch als Sinnbild einer kriegshetzerischen Kultstätte sogar beseitigt werden müsste. Selbstredend, daß hier am Denkmal zu Zeiten der nationalsozialistischen Regierung entsprechende Feierstunden abgehalten wurden. Natürlich hat das Denkmal in den wenigen Jahren seiner Existenz einige Kulturepochen und extremste politische Wirren miterlebt und sicherlich hat es schon längst seine ursprünglichste Bedeutung verloren. Dennoch ist dieses Denkmal in Erinnerung an die Zeit der deutschen Einigungskriege eines der größten und schönsten in unserer ländlichen Gegend.
 +
  
 
<gallery perrow="1" caption="Inschrift am Sockel">
 
<gallery perrow="1" caption="Inschrift am Sockel">

Version vom 10. Juli 2020, 09:56 Uhr

Das Kriegerdenkmal 1870/71

KriegerdenkmalRhm1870.jpg

Um 1910 waren die Kriegervereine unter dem Dachverband Kyffhäuser Bund mit knapp 3 Millionen Angehörigen die mitgliederstärkste Organisation in ganz Deutschland. Das Militär war hoch angesehen und der Matrosenanzug gehörte zu den beliebtesten Kleidungsstücken für Knaben und später auch für Mädchen. Zur inhaltlichen Ausrichtung der Kriegervereine gehörte vornehmlich die Förderung und Pflege der Kameradschaft und des Brauchtums sowie die Bewahrung des Andenkens an die gefallenen Kameraden. Seit 1890 war es per Gesetz den Gemeinden erlaubt, eigens die Befugnis zur Errichtung von Denkmälern zu erteilen. So entstand bei den Reichelsheimer Veteranen zu dieser Zeit der Gedanke, ein Denkmal zur Erinnerung an die Teilnehmer des Krieges 1870/71 und der auf dem Schlachtfeld verbliebenen Kameraden errichten zu lassen.

Ursprünglich gedachte man als idealen Standort den Kirchhof zu ersinnen, doch nach vielem hin und her wurde das Denkmal letztendlich auf dem Marktplatz, direkt vor das Rathaus erbaut - dort, wo nach alten Ansichten (Karten) wohl an gleicher Stelle zuvor ein Löschteich, eine Weet existierte. Seit dem Bau der Wasserleitung waren die meisten Brunnen abgebaut und die Löschteiche zugeschüttet worden. Dieser Platz schien letztendlich am unstrittigsten und geeignetsten.

Von dem Tag des Beschlusses bis zum ersten Spatenstich war es noch ein weiter Weg. Das Denkmal sollte eines der größten und prächtigsten werden. Für ein Monument in dieser Größenordnung würde allerdings das zur Verfügung stehende Budget nicht ausreichen. Der Verein versuchte über verschiedene Veranstaltungen und den Verkauf von Souvenirartikel zu Geld zu kommen, doch konnte man den notwendigen Betrag für das Denkmal nicht aufbringen. Letztendlich war der Auftrag vergeben und der Vereinsvorstand als Auftraggeber mußte die vereinbarte Summe mit eigenen Mitteln - privat begleichen.

In einem Festakt wurde das Denkmal im Rahmen des vom 9. bis 11. Juli 1910 in Reichelsheim stattfindenden Kriegerfestes eingeweiht.


Im Laufe der Jahre hat der Sandstein des Denkmals bereits erheblichen Schaden genommen. Durch Verwitterung sind die feinen Ausarbeitungen an den Bildnissen und den Figuren in Mitleidenschaft gezogen worden. Einige Teile sind bereits weggebrochen wie z.B. der Unterkiefer des Löwen oder die Enden der Fahnenstange, die der Soldat in die Höhe streckt.

Eine Sanierung des Denkmals war seitens der Stadt Reichelsheim bislang nicht angedacht worden.
Ganz im Gegenteil - wenn in der Öffentlichkeit über das Denkmal diskutiert wird, wird zunehmend die Meinung geäußert, daß dieses Gebilde alles andere als ein Mahnmal darstellt - eher noch als Sinnbild einer kriegshetzerischen Kultstätte sogar beseitigt werden müsste. Selbstredend, daß hier am Denkmal zu Zeiten der nationalsozialistischen Regierung entsprechende Feierstunden abgehalten wurden. Natürlich hat das Denkmal in den wenigen Jahren seiner Existenz einige Kulturepochen und extremste politische Wirren miterlebt und sicherlich hat es schon längst seine ursprünglichste Bedeutung verloren. Dennoch ist dieses Denkmal in Erinnerung an die Zeit der deutschen Einigungskriege eines der größten und schönsten in unserer ländlichen Gegend.


Informationen zu den Tafeln am Denkmal

Reichelsheim gehörte seit 1866 zum Großherzogtum Hessen-Darmstadt welches zu dieser Zeit dem neu gegründeten Norddeutschen Bund angehörte. Die wehrpflichtigen Männer waren zum Infanterie-Regiment „Kaiser Wilhelm“ (2. Großherzoglich Hessisches) Nr. 116 einberufen. Dieses Regiment ist das 2. der Infanterie-Regimenter aus dem Großherzogtum Hessen, und das 116. des Deutschen Reiches. Garnisonsstadt war Gießen.

Das Regiment war eingesetzt in der Schlacht bei Gravelotte, Gefechte bei Noisseville und bei Orléans, Gefechte bei Chambord und Briare, sowie bei der Einschliessung von Metz

36 Männer aus Reichelsheim zogen in den Krieg, wovon 2 nicht wiederkehrten.


Entstehungsgeschichte und Einweihung

entnommen dem Kirchenbuch der evangelischen Kirchengemeinde Reichelsheim (S.390 bis S.396)


Literatur

Text entnommen dem Buch "Die Kriegerdenkmäler 1870/71 in Südhessen" von Hans-Jörg Jährig auf Seite 17
Buch-ISBN:978-3-8428-9469-3, Diplomica Verlag 2013,

Allgemeine Geschichte der Kriegerdenkmäler 1870/71

Der Sieg gegen Frankreich 1871 mit der folgenden Reichsgründung war der Anlass, dass
es erstmals in großem Umfang in ganz Deutschland zu Denkmalserrichtungen kam. Die
Begeisterung über Sieg und Reichseinigung verlangte nach Symbolen, die diese Errungen-
schaften in würdiger Form für Gegenwart und Zukunft sichtbar festhalten konnten. Wurden
von staatlicher Seite zum Beispiel das mächtige Niederwalddenkmal am Rhein oder die
Siegessäule in Berlin als Nationaldenkmäler zur Erinnerung an die Einigung in Auftrag
gegeben, sahen sich die Gemeinden und Städte im Reich herausgefordert, auch auf lokaler
Ebene entsprechende Denkmäler zu schaffen. Dabei sollte hier aber neben der Umsetzung
der Siegesbegeisterung auch dem Bedürfnis der Bevölkerung Rechnung getragen werden,
einen Ort zu schaffen, an dem an die gestorbenen Soldaten erinnert werden konnte.

Solche Orte der Erinnerung und des Gedenkens waren schon nach den Befreiungskriegen
gegen Napoleon aufgekommen, in erster Linie hölzerne Gedenktafeln. die ab ca. 1815 der
Parole „Mit Gott für König und Vaterland“ folgend. in und an den Kirchen angebracht
wurden. Abgesehen von Einzelfällen sollte es nach dem Krieg 1870/71 nicht mehr bei
einfachen Gedenktafeln und stillem Gedenken bleiben. Nunmehr wurden richtige steinerne
Kriegerdenkmäler, teilweise prächtig und aufwändig verziert, im öffentlichen Raum und an
meist sehr exponierten Standorten wie dem Dorfplatz vor der Kirche oder dem Marktplatz vor
dem Rathaus aufgestellt und bei der Weihe mit großem Pomp enthüllt. Auf alten Fotos kann
man die öffentliche Bedeutung dieser Feiern anhand der großen Teilnehmerzahl in Frack
und Zylinder erkennen. ebenso gehörten Musikkapelle, Fahnenabordnungen und in Reih`
und Glied angetretene Vereine dazu. Das Zeremoniell trug oftmals durchaus militärischen
Charakter und in den Folgejahren diente das Denkmal zu den jährlich wiederkehrenden
Festtagen regelmäßig als Ort patriotischer Feste, so zum Sedantag oder Kaisergeburtstag.


Media