Ortsteil Reichelsheim / Die Nassauische Herrschaft

Aus Historisches Reichelsheim

Von 1416 bis 1866 gehörte Reichelsheim (mit einigen Unterbrechungen) zu Nassau.

Im Jahr 817 kam die "Burg" Bingenheim nebst etwa 187 dazugehörenden Gütern in der Wettereiba als Schenkung durch Kaiser Ludwig den Frommen beziehungsweise im Tausch gegen andere Güter zum Kloster Fulda. Darunter auch das seinerzeit sogenannte Richolfesheim. Damit war Richolfesheim eine von 11 Ortschaften in diesem Besitztum, der sogenannten "Fuldischen Mark"
Die Tausch- bzw. Schenkungsurkunde diente in späteren Jahren unglücklicherweise als Bucheinband und ist nicht mehr vollständig erhalten; siehe Hessisches Landesarchiv

Die "Fuldische Mark" um diese Burg herum, veränderte sich in den folgenden Jahrhunderten durch weitere Schenkungen oder Tausch in ihren Grenzen, wobei die Burg Bingenheim durchweg im Besitz des Klosters Fulda verblieb und die Vogtei] als Lehen an weltliche Herren gegeben wurde. Die Hauptaufgabe dieser Vögte bestand in der Ausübung der Landgerichtsbarkeit im Auftrag der fuldischen Äbte, wofür sie die Hälfte der Ländereien für sich beanspruchen konnten.

Aus dem Jahre 1388 wird berichtet, daß die Herren von Falkenstein (in Erbfolge der Herren von Münzenberg) die Hälfte des Dorfes Reichelsheim zum Lehen von Fulda erhielten.

Eine Hälfte von Reichelsheim wird nassauisches Lehen 

Der letzte Falkensteiner vertauschte seine Reichelsheimer Hälfte 1416 an den Grafen Philipp den ersten von Nassau-Weilburg (Walramsche Linie).

Philipp I. von Nassau-Saarbrücken-Weilburg (* um 1368 in Weilburg; † 2. Juli 1429 in Wiesbaden) war zu dieser Zeit Graf von Nassau-Weilburg und von Nassau-Saarbrücken.

ganz Reichelsheim wird nassauisches Lehen 

Bereits 1 Jahr später - im Jahre 1417 - übergab die Abtei Fulda auch die noch in ihrem Besitz befindliche andere Hälfte und Vogtei Reichelsheim an den Grafen Philipp I. von Nassau-Saarbrücken-Weilburg zu Lehen.

Reichelsheim wird nassauischer Besitz  

Im Jahr 1423 wurden die klösterlichen Anteile der Fuldischen Mark: Bingenheim, Reichelsheim, Echzell, Dauernheim, Blofeld und Leidhecken – für 26.500 Gulden Philipp I. von Nassau-Saarbrücken-Weilburg veräußert.

Am 2. Juli 1429 stirbt Philipp I. - seine zweite Ehefrau - Elisabeth von Lothringen - hatte nach dessen Tod zunächst die Regentschaft übernommen. Als der älteste gemeinsame Sohnes Philipp II im Jahre 1438 Mündigkeit erlangte schloss die Mutter mit ihren Söhnen einen Vertrag über ihre zukünftige standesgemäße Lebensweise. Bis zur Mündigkeit des jüngeren Sohnes Johann in 1442 behielt sie die Landesverwaltung. Danach schlossen die Brüder einen Teilungsvertrag bei dem Johann die Grafschaft Saarbrücken und Philipp die rechtsrheinischen Besitzungen von Nassau-Weilburg erhielt. So kam es zur Entstehung der Linien Nassau-Weilburg und Nassau-Saarbrücken.

Philipp II. von Nassau-Weilburg (* 12. März 1418; † 10. März 1492 in Mainz) war von 1442 bis 1492 Graf von Nassau-Weilburg.

Unter nassauischer Regierung wurde Reichelsheim im 15. Jahrhundert mit einer Befestigungsanlage umgeben: Mauern, Wallgräben und Wehrtürme sollten die Bürger vor äußeren Angriffen schützen. Reste der Stadtmauer, das westliche Stadttor und vier der ursprünglich sieben Wehrtürme sind heute noch erhalten.

Im Jahr 1470 übertrug Philipp II. seinem Sohn Johann die Mitherrschaft. Dessen früher Tod in 1480 zwang Philipp II. erneut zur Übernahme der gesamten Regierung. Ebenso übernahm er die Vormundschaft über seinen Enkel Ludwig, dem er 1492 in der Erbfolge die Herrschaft über Nassau-Weilburg übergab.

Ludwig I. von Nassau-Weilburg (* um 1473; † 28. Mai 1523) war von 1492 bis 1523 Graf von Nassau-Weilburg.

Wohl wegen der mittlerweile hohen Verschuldung machte er seinen Vetter Johann Ludwig I. von Nassau-Saarbrücken zum Mitregenden, bestimmte diesen als Kurator und übergab ihm die Regierungsgeschäfte. Als Ludwig I. von Nassau-Weilburg starb ist Johann Ludwig I. von Nassau-Saarbrücken zum Vormund seines Vetters Sohnes Philipp bestellt worden. Erst im Jahr 1524 konnte daher Philipp seine Herrschaft einnehmen.

Philipp III. von Nassau-Weilburg (* um 1473; † 1523) war von 1523 bis 1559 Graf von Nassau-Weilburg.

Unter Philipp III. wurde in Nassau-Weilburg die Reformation eingeführt. Bereits im Jahr 1525/26 berief Philipp den ersten evangelischen Prediger in seine Herrschaft.

Philipp III. hatte zwei Söhne aus verschiedenen Ehen. Albrecht und Philipp IV. Beide wurden im evangelischen Glauben erzogen. Anfänglich regierten die Brüder gemeinsam. Am 15. Mai 1561 teilten sich die Brüder ihr Herrschaftsgebiet auf.


In 1567 wurde das Amt Reichelsheim errichtet. Bis dahin gehörte Reichelsheim dem Amt Bingenheim an.

Im Jahre 1570 verkauften die Brüder Albrecht und Philipp IV. von Nassau, mit Genehmigung des Fuldaer Abts Balthasar, ihren Teil der Fuldischen Mark für 121.000 Gulden an Landgraf [https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_IV._(Hessen-Marburg) Ludwig IV. von Hessen-Marburg. Dabei handelte es sich um Schloss und Haus Bingenheim, Echzell, Berstadt, Dauernheim, Blofeld, Leidhecken und Gettenau. Ausgenommen blieb Reichelsheim, das als fuldisches Lehen bei Nassau-Weilburg-Saarbrücken blieb.

Reichelsheim war von nun an in seinen Grenzen von hessischem Land umgeben. Damit ist der Flecken Reichelsheim eigenständiges Amt der Grafschaft Nassau-Weilburg, zu dem aufgrund seiner geografischen Lage keine weiteren Orte angehören als Reichelsheim selbst. Im gleichen Jahr wurde mit dem Bau des heutigen "historischen Rathauses" begonnen.

1618 beginnt der 30-jährige Krieg. Nach der Niederlage des protestantischen Bündnisses in der Schlacht bei Nördlingen weigerten sich die Nassauer Grafen im Jahr 1635, den Prager Frieden zu unterzeichnen. In dessen Folge entzog ihnen Kaiser Ferdinand II. ihre Länder. Die Nassauer Grafen wurden durch das Reichskammergericht all ihrer Besitzungen für verlustigt erklärt. Während dieser Zeit kam es kriegsbedingt zu Besitzveränderungen. Reichelsheim musste einer neuen Herrschaft den Untertaneneid schwören und wurde vorübergehend Hessisch.

1635 - 1640 wurde es im 30-jährigen Krieg von den Weimarschen Truppen mehrmals geplündert und gebrandschatzt.

Im Westfälischen Frieden 1648 hatte man die Nassauer rehabilitiert und ihnen ihre Besitztümer wieder zurückgegeben.