Ortsteil Reichelsheim / Bleiche

Aus Historisches Reichelsheim

Die Bleiche erstreckte sich vom Steg am Waschbachgraben entlang des heutigen Spielplatzes an der Spielstraße bis hin zur steinernen Horloffbrücke an der Furt.

Auf dieser Seite der Horloff befanden sich einige Bänke, die hier als Waschbretter dienten und auf denen man auch verweilen konnte. Auf den Wiesen standen mehrere Pfähle, wo die Frauen ihre mitgebrachten Schnüre aufspannten um ihre Wäsche zum Trocknen aufhängen zu können.

Der Ausdruck Waschbachgraben deutet schon darauf hin, daß hier an der Bach - zu Zeiten, in denen man zu Hause noch keine Waschgelegenheiten hatte - die Wäsche gewaschen wurde.

Die Weißwäsche wurde nach der Wäsche entlang der "Bleiche" zum Bleichen auf die Wiesen gelegt.

Unter Bleichen versteht man den chemischen Vorgang der entfärbenden Wirkung von Sonnenlicht oder Wasser auf Stoffe. Um Bettwäsche, Hemden usw. weiß zu erhalten, wurden die Wäschestücke in der Sonne ausgebreitet, um die Textilien dem UV-Licht der Sonne auszusetzen.

Leinen-, Hanf- und später auch Baumwollfasern wurden im naturfarbigen Zustand versponnen und verwebt, so dass die fertigen Gewebe gelblich bis graubraun waren. Um bei diesen Stoffen eine schöne weiße Farbe zu erreichen, mussten diese gebleicht werden. Frisch gewaschene Textilien wurden direkt nach der Wäsche - in noch nassen Zustand der Rasenbleiche unterzogen. Die Wäsche wurde dazu flach ausgelegt manchmal auch aufgespannt und kontinuierlich feucht gehalten (daher die Nähe zur Horloff).

Durch die Sonneneinstrahlung entsteht aus dem Wasser der feuchten Wäschestücke in Verbindung mit dem aufsteigenden Sauerstoff aus dem Rasen eine geringe Menge Wasserstoffperoxyd, ein Bleichmittel, das die Wäsche bleicht. Dieselbe Wirkung, die die Sommerbleiche auf die Wäsche ausübte, hatte übrigens das Gefrieren der Wäsche auf reinem Schnee oder auf der Leine.

In den Jahren um die Jahrhundertwende wusch man seine feine weiße Wäsche zu Hause, wo man sie auch kochen konnte. Viele Ortseinwohner besaßen auch schon eine für die damalige Verhältnisse moderne Waschmaschine und die Wäsche wurde nur noch vereinzelt zum Bleichen an die Bleiche gebracht. Zum Bleichen verwendete man immer häufiger chemische Waschzusätze. Bis in die 1950er Jahre wurde beim Waschen sogenanntes Waschblau in Form von Tabletten, Pulver, Papierstreifen oder Paste in das Wasser des letzten Spülgangs gegeben. Der Zusatz von blauem Farbstoff zum Spülwasser sollte die gelbliche Tönung von Wäsche überdecken, sodass sie blendend weiß erschien.

In der Zeit von etwa 1890 bis in die 1920er Jahre wusch man hier nur noch nach der Kartoffel- oder Obsternte die Säcke aus Jute und Leinen hier aus.