Artikel der Rubrik "Damals" / Vom HJ-Heim zum Kindergarten

Aus Historisches Reichelsheim

Für den Stadtkurier 25. Oktober 2019
Rubrik "Damals"

Verantwortlich und Ansprechpartner für die Rubrik "Damals" ist:
Horst Diehl, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsverein Reichelsheim/Wetterau e.V. (HGV)
Bingenheimer Straße 29
mail-Adresse: h.diehl@web.de


Bildbeschreibung:


Reichelsheim:

In 1938 planten die Gemeindeoberen Reichelsheims den Bau eines HJ-Heimes. Als Standort erdachte man den freien Platz direkt hinter der Horloffbrücke auf der ehemaligen Gänsweid.
Vorgesehen hatte man zwei Bauabschnitte. Im ersten Bauabschnitt war das Heimgebäude geplant – im zweiten Bauabschnitt ein hallenartiger Raum von 170qm Grundfläche. Genehmigt wurde der Entwurf des ersten Bauabschnittes vom Hochbauamt Friedberg im März 1939.

Dieses HJ-Heim ist seiner eigentlichen Bestimmung aber nie übergeben worden. Im September 1939 begann der Krieg und das Gebäude wurde für alles Mögliche zweckentfremdet. Woran sich viele noch erinnern konnten war, daß dort Seidenraupen gezüchtet und Kräuter getrocknet wurden.

Nach einem Erlaß vom Mai 1940 wurden die deutschen Schulen unter anderem auch zur Seidenraupenzucht ermuntert. Man brauchte die Seide für die Wehrmacht und mußte daher vom Weltmarkt unabhängig den Bedarf im eigenen Land decken können. Es wurden - meist in den Schulgärten - Maulbeerbäume gepflanzt. Die Schüler fütterten diese Seidenraupen mit den Blättern des Maulbeerbaumes und "ernteten" die Kokons der Seidenraupen. Diese mußten zeitig, als Eilgut unter der Bezeichnung "Lebende Seidenspinnerkokons" verpackt, und an die zuständige "Konkonabtötungsstelle" geschickt werden, damit diese zur Seidengewinnung verwendet werden konnten. Ein Ausschlüpfen der Seidenspinnerfalter würde die Kokons wertlos machen.

Als die Fa VDO in Frankfurt ausgebombt wurde hatte man hier für die VDO Teile gefertigt. Noch bis 1962 produzierte hier die "Mechanische Werkstätte" der Fa Scharfe, die bereits 1961 Gelände hinter dem Faselstall erwarb. Recht schnell konnte dort eine vorgefertigte Werkhalle mit einem kleineren massiven Anbau errichtet werden und das ursprüngliche HJ-Heim stand nunmehr anderweitiger Verwendung zur Verfügung. Dieses war ausschlaggebend für die Errichtung des heutigen Kindergartens "Steinbeißer". Die Stadtväter beschlossen hier eine neue Kindertagesstätte entstehen zu lassen. Bis zum Herbst 1962 entstand unter Einbeziehung der benachbarten Pflanzgärten ein ansehnlicher Bau zur Kinderbetreuung mit angrenzendem Spielplatz und einer Spielstraße.
Am Sonntag den 21. Oktober 1962 wurde im feierlichen Rahmen unter großer Anteilnahme der Bevölkerung der Kindergarten übergeben sowie der angrenzende Spielplatz eröffnet.


Die Aufnahme ist ein Ausschnitt einer Reichelsheimer Ansichtskarte aus den 1940er Jahren.


HJ-Heim.jpg