Artikel der Rubrik "Damals" / 1668 - Der erste Jahrmarkt in Reichelsheim

Aus Historisches Reichelsheim

Für den Stadtkurier 22. Juni 2018
Rubrik "Damals"

Verantwortlich und Ansprechpartner für die Rubrik "Damals" ist:
Horst Diehl, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsverein Reichelsheim/Wetterau e.V. (HGV)
Bingenheimer Straße 29
mail-Adresse: h.diehl@web.de


Bildbeschreibung:


Reichelsheim vor 350 Jahren


Fortsetzung des Artikels vom 6. April 2018

1668 erhält die Stadt Reichelsheim das Recht, jährlich 3 Märkte abzuhalten und der erste Markt wurde bereits noch vor Erteilung des Diploms (offizielle Bestätigung) auf den nächst möglichen der drei zu genehmigenden Tage, den St. Johannis Baptista-Tag ausgerufen. Der St. Johannis Baptista-Tag ist dem heiligen Johannes gewidmet und fällt in die Zeit der Sommersonnenwende. Die Kirche ersetzte damit die traditionell älteren Feiern zur Sonnwende und die Sonnwendfeuer durch die Johannesfeuer.

Das Kaiserliche Diplom wurde rechtzeitig in Druck gegeben und mit 300 Exemplaren an Städte, Zünfte und einflussreiche Personen verteilt. Zusätzliche Schreiben weisen darauf hin, daß am Tag vor dem eigentlichen Jahrmarkt ein Viehmarkt stattfinden wird. Trotz der ständigen Geldnot überlässt Graf Friedrich den Reichelsheimern die Nutzung des Standgeldes zum Besten und weißt die gräflichen Räte an, die Reichelsheimer bei ihren Rechten zu belassen. Schließlich sollte Reichelsheim ja die Mittel der Jahrmärkte vorrangig zum Wiederaufbau nach den Brandschäden von 1665 einsetzen.
Um den Markt für Anbieter attraktiv zu machen, haben sich die Reichelsheimer entschlossen kein Standgeld zu erheben. Darauf hatte man besonders hingewiesen.

Der erste Jahrmarkt fand am 24. Juni 1668 statt und war extrem gut besucht. Der Weilburger Kammerschreiber wird feierlich durch das Obertor bis vor das Rathaus geholt, wo der Reichelsheimer Gerichtsschreiber den Umstehenden den Inhalt des Marktdiploms vorliest. Die Anbieter erfahren, daß bei diesem Markt weder Abgaben von Wein und Bier noch Standgeld erhoben werde und die zahlreich erschienenen Händler und Krämer begeben sich in das Rathaus und lassen sich einschreiben. Über 400 Krämer aus 68 Ortschaften und Städten erscheinen. Die ganze Breite des damaligen Handels und Handwerkes fand sich ein. Jeder Besucher konnte alles das finden, was sein Herz begehrte. Das Einzugsgebiet der Marktbeschicker reichte von Weilburg im Westen, Brückenau im Osten bis Hattingen im Nordwesten und Dörnigheim im Süden - wobei Händler mit Strecken von mehr als einer Tagesreise zu den Ausnahmen zählen. Der größte Teil der Anbieter reiste aus dem näheren Umfeld von deutlich weniger als 30km an. Aus den Städten (Frankfurt, Weilburg, Hanau, Friedberg ...) genauso wie aus den kleinsten Dörfern der nächsten Umgebung (Heuchelheim). Eine Ausnahme bildeten alleine schon 46 Händler aus Grünberg, die einen sehr großen Anteil der Händler ausmachten und eine relativ weite Strecke zurückzulegen hatten.

Von 1668 bis 1732 finden in Reichelsheim bis auf wenige Ausnahmen jährlich ein bis drei Jahrmärkte statt. Nach Meinung der Geistlichen arten die Märkte häufig zu unerträglichen Lustbarkeiten aus. Pfarrer Johannes Crecelius (Pfr. in Reichelsheim von 1723-1760) beschwert sich 1725, daß die Sonntagsheiligung wegen „Spielens, Tanzens, Fressens und Saufens“ gefährdet sei und daß man 8 Tage und Nächte an Spieltischen sitze, um „Porcellan“ auszuspielen.

Tja … des einen Freud ist des anderen Leid


Text auszugsweise entnommen dem Buch ‘Reichelsheim in der Goldenen Wetterau‘ von Hagen Behrens und ‘Hessische Familienkunde, Bd. 21, Heft 1, 1993‘ von Gerhard Steinl


Bild: Gaukler auf und über der Reichelsheimer „Marktstraße“
(entn. dem Buch von K. Becker „Der Hexenmeister aus Reichelsheim“, S. 29)


Rhm HexenmeisterS29.jpg